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Einschränkung der Versammlungsfreiheit – Autoritäre Tendenzen

Über die Reform des Versammlungsrechts

Am 26.04.2017 wurde das Versammlungsrecht durch den Nationalrat massiv eingeschränkt. Das Versammlungsgesetz an sich schien in Österreich in den letzten Jahren kein besonders brisantes Thema, seit einigen Wochen wird jedoch heftig darüber debattiert. Eingeleitet wurde die Debatte wie so oft von Innenminister Wolfgang Sobotka, der in gewohnter Manier eine Vielzahl höchst bedenklicher Reformvorschläge äußerte.
Was folgte, war ein (berechtigter) Aufschrei von NGOs und Verfassungsrechtler_innen, die die Vorschläge größtenteils als verfassungsrechtlich bedenklich einstuften und ihren autoritären Charakter kritisierten. Wie so oft einigte sich die Regierung in Folge dessen auf einen Teilbereich der zuvor herausposaunten Vorschläge, die übrigen Forderungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt auf einer „Enquete“ mit Fachleuten besprochen werden.
Im Folgenden sollen diejenigen Punkte erklärt und kommentiert werden, die im Nationalrat bereits beschlossen wurden. Obwohl es nur eine kurze Begutachungsfrist gab, wurden eine Vielzahl an Stellungnahmen eingereicht, die hier nachgelesen werden können.

I. Erhöhung der Anmeldefrist von 24 Stunden auf 48 Stunden (§ 2 Abs 1 VslG)

Wer eine Versammlung bei der Behörde anmelden wollte, musste bisher dafür sorgen, dass die Anzeige spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versammlung bei der zuständigen Behörde einlangt. Diese Frist soll nunmehr auf 48 Stunden erhöht werden. Als Grund wird angeführt, dass es den Behörden ansonsten nicht möglich sei, sich angemessen auf die Versammlung vorzubereiten. Für die Verlängerung dieser Frist fehlt jeglicher Anlass und auch jegliche Argumentation, warum die bisherige 24 Stundenfrist nicht ausreichend war.

II. Teilnahme von Vertreter_innen ausländischer Staaten – „Lex Erdogan“

Bisher waren der Behörde 1) Zweck 2) Ort und 3) Zeit einer Versammlung anzuzeigen. Nun soll auch die beabsichtigte Teilnahme von Vertreter_innen ausländischer Staaten, internationalen Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt werden. Zudem soll in einem solchen Fall, die Anzeige bereits eine Woche vor der Versammlung vorgenommen werden. Diese Bestimmung hat laut dem Antrag das Ziel, ausländische Staatsvertreter_innen zu „schützen“. Zu diesem Zweck soll die Frist auch auf eine Woche verlängert werden. Mit der selben Begründung (Schutz besagter Vertreter_innen) wurde erst im Sommer 2016 das Sicherheitspolizeigesetz novelliert und mitunter die Notwendigkeit des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes argumentiert.
Bedenkt man, dass der aktuelle Entwurf auch einen neuen Untersagungsgrund für Versammlungen einführt, die der politischen Betätigung von Drittstaatsangehörigen dienen (siehe III) macht es eher den Eindruck, als wäre das Ziel der längeren Anmeldefrist, solche Versammlungen leichter untersagen zu können.

III. Weitergehende Einschränkung der Versammlungsmöglichkeit für „außenpolitische“ Themen

Bisher war es Drittstaatsangehörigen (dh. Nicht EU-Bürger_innen) nicht möglich, Versammlungen anzumelden oder als die gesetzlich vorgesehenen „Ordner_innen“ aufzutreten. Die Teilnahme an Versammlungen war Drittstaatsangehörigen bisher jedoch uneingeschränkt erlaubt.

In § 6 Abs 2 VersG wird nun ein neuer Untersagungsgrund geschaffen. Schon bisher bot die Formulierung der Untersagungsgründe einen weiten Spielraum, den die Behörden auch ausgiebig nutzten. So wurden immer wieder die Einkaufssamstage vor Weihnachten als Grund für eine behördliche Untersagung herangezogen, zweimal wurden Demonstrationen gegen den WKR/Akademikerball mit der pauschalen Begründung, es könne zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen, verboten. In einem Fall wurde dies vom VfGH im Nachhinein als verfassungswidrig beurteilt.

Der aktuelle Entwurf enthält eine neue, extrem schwammige Formulierung. Untersagt werden sollen künftig:
→ Versammlungen, die der politischen Betätigung von Drittstaatsangehörigen dienen und außerdem
→ den „außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen oder den demokratischen Grundwerten“ zuwiderlaufen.

Was konkret damit gemeint ist, kann nur erahnt werden. Zu befürchten ist, dass die Versammlungsbehörden die Begriffe extrem weit auslegen und beispielsweise Proteste von Geflüchteten oder kurdischen Gruppen verhindern. Zwar beziehen sich die Erläuterungen nur auf Versammlungen, die den politischen Agenden von Politiker_innen von Nicht-EU-Staaten dienen, vom Wortlaut des Gesetzes sind jedoch generell Versammlungen erfasst, die der politischen Betätigung von Nicht-EU-Bürger_innen dienen.

Da Drittstaatsangehörige nach der geltenden Rechtslage selbst keine Versammlungen anmelden dürfen, hat diese Regelung notgedrungen auch Konsequenzen für österreichische Staatsbürger_innen und andere EU-Staatsbürger_innen, sofern die von ihnen angemeldeten Demos aus Sicht der Versammlungsbehörden unter den neuen Untersagungsgrund fallen. Die Frage ist auch, wann es zu besagter Untersagung kommen wird, bspw wenn angenommen wird, dass eine bestimmte Anzahl von Drittstaatsangehörigen zu einer Demonstration kommen wird oder ob die Themensetzung der Versammlung im Vordergrund steht.

Zu bedenken ist, dass der Rechtsschutz gegen Untersagungen in den allermeisten Fällen ineffektiv ist, weil eine Beschwerde gegen einen Untersagungsbescheid keine aufschiebende Wirkung hat. Das bedeutet, dass die Beschwerde an sich an der Wirksamkeit des Untersagungsbescheides nichts ändert, sondern, dass abgewartet werden muss, bis das Landesverwaltungsgericht entscheidet. Diese Entscheidung kann Monate später kommen, in der Regel ist das zu spät um die Versammlung noch wie geplant abhalten zu können.

VI. „Schutzzonen“ zwischen Versammlungen

Der Entwurf sieht einen Mindestabstand zwischen Versammlungen vor, außer die Behörde legt ihn ausdrücklich anders fest. Nach den Erläuterungen soll es sich dabei um Demonstrationen mit „entgegengesetzten Interessen“ handeln, aus dem Gesetzestext selbst geht dies nicht hervor. Unklar ist, wie die Bestimmung in Bezug auf nicht aufeinander bezogene Demonstrationen oder solche mit dem gleichen Ziel angewendet werden soll. Geradezu satirischen Charakter hat die Formulierung in den Erläuterungen, die Schutzzone solle aufzeigen, „wo die Freiheit des einen anfängt, und die des anderen aufhört“. Zwar wurden schon bisher Gegendemos wegen der räumlichen Nähe untersagt, die Fixierung einer „Schutzzone“ erschwert jedoch auch jene Versammlungen, die bisher mit geringerem Abstand zueinander stattgefunden haben.

Aus unserer Sicht sind auch die nunmehr mittels Initiativantrag von SPÖ und ÖVP ins Parlament eingebrachten Reformvorschläge sehr bedenklich. Dass nicht alle zuvor geäußerten autoritären Phantasien sofort in die Tat umgesetzt wurden, bedeutet weder, dass die aktuelle Novelle akzeptabel ist, noch, dass die übrigen Pläne gänzlich vom Tisch sind. Die Reform des Versammlungsgesetzes reiht sich vielmehr in eine Reihe autoritärer und repressiver Bestrebungen (bspw im Fremdenrecht, sozialer Absicherung, Strafrecht, Sicherheitspolizeirecht und im Bereich des Staatsschutzes) ein, die von der Regierung in den letzten Monaten im Eiltempo durchgeboxt wurden. Es handelt sich um Regelungen, die die Nutzung des öffentlichen Raumes weiter begrenzen und dazu geeignet sind, sogenannte „Drittstaatsangehörige“ in ihrem Recht zu protestieren weiter einzuschränken.

Aus unserer Sicht ist die Novelle mehr als bedenklich, große Teile davon sind auch aus juristischer Perspektive schwer nachvollziehbar und erscheinen wenig durchdacht.

Wir werden die Novellierung des Versammlungsrechts weiter verfolgen und euch auf dem Laufenden halten.

Workshops zu Polizeirepression

Wir möchten gerne in verschiedenen Kontexten Workshops zu Umgang mit Polizei und Repression anbieten.  Speziell auch für Gruppen außerhalb von Wien, die die Möglichkeit sonst nicht so oft haben.

Dabei sollen vor allem folgende Themen besprochen werden: 
    
Bei Demonstrationen, rassistischen Polizeikontrollen oder auch spontanen politischen Aktionen kommt es immer wieder zu Festnahmen und anderen Maßnahmen von Seiten der Polizei.
Doch was dürfen die Behörden in solchen Situationen machen und was machen sie regelmäßig – egal, ob sie es dürfen oder nicht?
Was passiert bei einer Festnahme? Wie kann ich mich verhalten? 
Was genau ist eigentlich die Rechtshilfe und was macht die so? Wie kann ich mich schon im Vorhinein auf solche Momente vorbereiten, oder/und wie schütze ich mich und meine Freund_innen am Besten vor Repression? Wie kann ich sicher mit meinen Freund_innen kommunizieren, ohne dass die Polizei alles mithören/lesen kann?
Obwohl es sich um eine weiterverbreiteten Problematik handelt, gibt es nur wenig Austausch über solche Situationen oder etwaige Lösungsansätze. 
Um das zu ändern und schon vor Aktionen über mögliche Repressionen zu sprechen, starten wir mit diesem Aufruf unser Projekt solidarisch über solche Fragen zu sprechen. Dafür würden wir sehr gerne mit euch über diese Dinge sprechen und unsere Erfahrungswerte bzw. Wissen weitergeben.
Falls ihr als Gruppe Interesse habt, einen solchen Workshop zu organisieren (Raum, Leute einladen) geben wir gerne einen inhaltlichen Input und beantworten eure Fragen.  Wenn ihr selbst schon einiges dazu wisst,  aber noch ein paar Unterlagen oder ähnliches braucht, um besser mit anderen Leuten darüber sprechen zu können, schreibt uns ne E-Mail an rechtsinfokollektiv@riseup.net. Wenn ihr als Einzelpersonen an Workshops interessiert seid, könnt ihr euch über unseren Newsletter auf dem Laufenden halten, ob es einen öffentlichen Workshop in eurer Nähe gibt.
Wir freuen uns auf Rückmeldungen!
Solidarität ist eine Waffe!

Gegen die Kriminalisierung von Staatskritik und zivilem Ungehorsam! Keine 2 Jahre Haft für am-Bullen-ankommen!

Gegen die Kriminalisierung von Staatskritik und zivilem Ungehorsam! Keine 2 Jahre Haft für am-Bullen-ankommen!

Zur Einführung des Deliktes „staatsfeindliche Bewegungen“ und der Verschärfung des „Tätlichen Angriffs“

Noch ist die neue Strafrechtsnovelle nicht beschlossen, aber sie sieht schon mal nicht gut aus. Die Begutachtungsfrist endete am Montag, dem 3.4.17. Hier findet ihr den Entwurf.

Mit einem neuen Straftatbestand (§ 246a StGB) will die Regierung in Zukunft „staatsfeindliche Bewegungen“ kriminalisieren und zwar unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Eine Bewegung soll dabei schon ab 10 Personen angenommen werden, wenn diese die gleichen (staatsfeindlichen) Ansichten haben, sie müssen weder Organisationsstrukturen aufweisen, noch sich persönlich kennen.
  • Diese staatsfeindlichen Ansichten hat man schon, wenn man „die Hoheitsrechte der Republik Österreich, der Bundesländer oder der Gemeinden und ihrer Organe nicht anerkennt“. Anarchist_innen, Kommunist_innen und andere radikale Staatskritiker_innen sind also auf jeden Fall mitumfasst!
  • Dann muss es der Zweck – aber nicht der ausschließliche – dieser „Bewegung“ sein, „auf gesetzwidrige Weise die Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen, oder sonstigen Entscheidungen der Behörden zu verhindern“. Diese Verhinderung von Amtshandlungen muss aber gar nicht strafrechtlich relevant sein, wie es z.B. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ wäre. Es würde schon eine einfache Verwaltugnsübertretungen – die häufig im Rahmen von Sitzblockaden, Versammlungen, Abschiebeverhinderungen oder anderen Formen des zivilen Ungehorsams passieren – dafür ausreichen.
  • Diese Ausrichtung muss sich vor einer Behörde, ihrer Meinung nach, „manifestieren“. Das heißt, die Behörde muss das Gefühl bekommen, ihr steht eine Person gegenüber, die staatsfeindlich ist, die Republik nicht anerkennt, und vor hat, Amtshandlungen zu behindern, weil die Person sich dahingehend äußert – mündlich, schreiend, auf Transpi oder auf Flyern.
  • Sowohl die Gründung der Bewegung, als auch die Teilnahme an ihr wird unter Strafe gestellt. Gründet mensch so eine Bewegung oder „betätigt sich führend“, was allerdings schon beim Aufstellen und Verbreiten von Theorien erfüllt sein soll droht ein Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Haft! Auch nur die Teilnahme an einer solchen „Bewegung“ ist strafbar. Dafür muss man sich nur dahingehend äußern oder aussprechen. Dafür ist die Strafdrohung ein Jahr oder 720 Tagessätze!

Das Gesetz ist gegen die „Reichsbürger“, „Freemen“, „OPPT“, etc. gerichtet, was alles mehr oder weniger tatsächlich gefährliche Gruppen von Verschwörungstheoretiker_innen und nicht selten auch Rechtsextremen sind. Dennoch scheint dies für die Regierung aber wieder ein gefundener Anlass zu sein, gleich jede Staatskritik und zivilen Ungehorsam mitzukriminalisieren.

Wir haben nicht vergessen, was mit Gesetzen passiert, die „eigentlich ganz anders gemeint waren“ und dann plötzlich doch in absurden langwierigen Prozessen gegen linke Gruppen verwendet werden.

Daher sind wir klar gegen diesen neuen Paragraphen und gegen die Kriminalisierung von Staatskritik und zivilem Ungehorsam!

Informiert euch, bezieht Stellung, wehrt euch!

Ganz nebenbei wird außerdem der Strafrahmen für § 270 StGB den „tätlichen Angriff“ auf einen Beamten von 6 Monaten oder 360 Tagessätzen auf 2 Jahre vervierfacht!

Das bedeutet, allein für das Stoßen oder Rempeln einer_s Polizist_in oder das auch nur versucht zu haben, soll mensch nun bis zu 2 Jahre ins Gefängnis kommen. Das ist massiv überzogen. Die_er Polizist_in muss dafür nicht einmal verletzt worden sein. Zum Vergleich: wer irgendeine andere Person leicht verletzt, kann nur bis zu einem Jahr ins Gefängnis kommen. Dass ein derartiger Unterschied zwischen Bullen und anderen Menschen gemacht wird, ist absolut ungerechtfertigt.

Keine 2 Jahre Haft für am-Bullen-ankommen!