Im Überwachungspaket 2018 wurden massenhaft neue staatliche Überwachungsmaßnahmen beschlossen: Die „Bundestrojaner“-Regelung wurde mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Die massive Ausdehnung der Videoüberwachung, die Beschränkung des Briefgeheimnisses und das Verbot von anonymisierten SIM-Karten sind uns aber nach wie vor erhalten geblieben.
Weil damals so viele wahnwitzige Maßnahmen beschlossen wurden, ist eine unscheinbar scheinende Bestimmung kaum thematisiert worden: Es wurde eine Kostenersatzpflicht für Polizeieinsätze beschlossen (§ 92a Abs 1a SPG).
Demnach soll jemand der einen Polizeieinsatz „verursacht“, weil er oder sie vorsätzlich eine falsche Notmeldung auslöst oder sich zumindest grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) einer Gefahr für Leben oder Gesundheit ausgesetzt hat, einen Pauschalbetrag leisten.
Zahlen muss die Person, die die falsche Notmeldung ausgelöst hat, bzw. die Person, dessen Leben oder Gesundheit (angeblich) geschützt werden soll. Für jede angefangene Stunde, die ein:e Polizist:in im Einsatz ist, sollen 34 Euro gezahlt werden und für jede Minute, die ein Luftfahrzeug im Einsatz ist 53 Euro (§ 4a Sicherheitsgebühren-Verordnung – SGV).
Diese Bestimmung – die klingt, als wäre sie für Bergrettungseinsätze gedacht – wird jetzt natürlich dafür verwendet, um politischen Aktivismus mundtot zu machen. Weil einige Hausbesetzer:innen 2019 auf das Dach eines Gebäudes kletterten, um gegen die drohende Räumung der Besetzung zu protestieren, soll eine der Personen jetzt ca. 3.800 Euro zahlen. Dass der Polizeieinsatz gänzlich unerwünscht war und die Ursache für das Besteigen des Daches, spielt dabei keine Rolle. Die Verhandlung über die Kosten findet demnächst statt. Soweit wir wissen, ist es eines der ersten Verfahren, das wegen der Bestimmung des § 92a Abs 1a Z 2 SPG bald zu einem Abschluss kommen wird. (https://nele.noblogs.org/post/2019/09/17/kostenersatz-fur-nele-besetzung-bezahlt-wird-nicht/ oder https://emrawi.org/?Kostenersatz-fur-Hausbesetzung-und-Gedenk-Spaziergang-Hass-den-1504)
Auch einem Rapid-Fan wurden die Kosten eines Polizeieinsatzes verrechnet, weil er einen Gedenkmarsch angeführt haben soll. Wieso er dadurch in Gefahr gewesen sein soll, ist unklar. (https://www.90minuten.at/de/red/presseschau/kurzmeldungen-vereine-verbaende-sportler/2020/maerz/koerner-gedenkmarsch—gefahr-fuer-leben-und-gesundheit–/).
Falls euch auch eine Kostenersatzpflicht nach § 92a Abs 1a SPG auferlegt wird, hier ein paar Infos:
Es handelt sich um keine Strafe in dem Sinne, sondern euch wird der Polizeieinsatz in Rechnung gestellt. Deswegen könnt ihr auch keine Gefängnisstrafe bekommen. Die Bezirksverwaltungsbehörde oder die Polizei erlässt sofort – also ohne nähere Ermittlungen oder Einvernahmen – einen Bescheid und verrechnet euch die Kosten des Einsatzes. Dagegen müsst ihr binnen zwei Wochen eine „Vorstellung“ erheben, diese muss noch keine Begründung enthalten. Daraufhin beginnt die Behörde mit einem Ermittlungsverfahren und gibt euch die Möglichkeit einer Stellungnahme, bzw. befragt euch und die Polizist:innen, etc. Wenn das abgeschlossen ist, wird euch ein neuer Bescheid zugestellt, gegen den ihr dann binnen vier Wochen eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht einlegen müsst. Bitte lest euch immer die Rechtsmittelbelehrung am Ende eines Schreibens durch, um sicher keine Fristen zu verpassen. Erst nach dem Einbringen einer Beschwerde entscheidet das Verwaltungsgericht – also erstmals nicht die Polizei – über die Sache. Die Verfahrenskosten sind bei dem Kostenbescheid überschaubar – auch wenn man verliert.
Solltet ihr auch einen derartigen Kostenbescheid bekommen, meldet euch bitte bei uns oder einer anderen Antirep-Struktur.