Eine Festnahme ist für jeden und jede eine Extremsituation, jedoch auch kein Weltuntergang. Wichtig ist für dich daher, dass du nicht in Panik gerätst. Sei dir klar, dass die Festnahme mehrere Stunden dauern, aber auch wieder vorübergehen wird und du danach ausreichend Unterstützung durch Freund_innen, solidarische Menschen und Antirepressionsgruppen finden wirst.
Um diese Zeit der Festnahme möglichst „unbeschadet“ zu überstehen, beachte daher folgende Infos und Tipps.
- Im Moment der Festnahme
- Warum kann ich festgenommen werden?
- Wie lange kann ich festgenommen werden?
- Was sind meine Rechte?
- Aussageverweigerung
- Fingerabdrücke, Fotos, etc
- Nach der Freilassung
1) Im Moment der Festnahme
Sofern du die Möglichkeit noch dazu hast, versuche den Umstehenden deinen Namen (ev. auch Geburtsdatum) zuzurufen, damit diese die Rechtshilfe informieren können. Wenn möglich schalte auch dein Handy aus, da dieses sonst von der Polizei während deiner Festnahme durchgesehen werden kann und meist auch wird. Ab dem Zeitpunkt der Festnahme empfehlen wir keine Aussagen gegenüber der Polizei zu machen. Siehe dazu auch weiter unten Genaueres.
2) Warum kann ich festgenommen werden?
Die Polizei kann dich nicht einfach so ohne Grund festnehmen. Dies ist in § 35 VStG und § 170 StPO geregelt. Aber auch wenn tatsächlich gar kein Festnahmegrund vorliegt, sitzt hier die Polizei leider am längeren Ast und du hast rechtlich gesehen kein Recht zum aktiven Widerstand. Eine derartige Widerstandshandlung kann daher eine Straftat (Widerstand gegen die Staatsgewalt) sein – nicht jedoch passiver Widerstand (also zb sich Wegtragen lassen oder dich an einem Laternenmast klammern).
Als Betroffene_r solltest du auch immer nachfragen „Ist das eine Verhaftung?“, da sonst dein Mitgehen als Freiwilligkeit gedeutet wird.
Die wichtigsten Festnahmegründe sind:
Bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 35 VStG:
- Bei einer Identitätskontrolle, wenn du keinen Ausweis dabei hast und auch so deine Identität nicht feststellbar ist.
- Du eine Verwaltungsübertretung trotz Abmahnung durch die Polizei fortsetzt oder sie zu wiederholen versuchst. Eine einfache Verwaltungsübertretung rechtfertigt daher für sich alleine rechtlich keine Festnahme.
Bei gerichtlich strafbaren Handlungen (zB: Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, etc) gemäß § 170 StPO
- Du „auf frischer Tat“ oder unmittelbar danach erwischt wurdest – also ein enger zeitlicher Moment – und ein konkreter Tatverdacht gegen dich vorliegt.
- Du mit Gegenständen, die auf die eine Beteiligung an einer Straftat hinweisen, von der Polizei erwischt wirst.
- Ein konkreter Tatverdacht gegen dich vorliegt und aus bestimmten Gründen eine Fluchtgefahr angenommen wird
- Die Polizei dich wegen einer schweren Straftat verdächtigt (Strafdrohung mehr als 6 Monate Haftstrafe) und du wegen bestimmten Tatsachen verdächtigst wirst, eine ähnliche Straftat nochmal zu begehen.
3) Wie lange kann ich festgenommen werden?
Wie lange du maximal festgehalten werden kannst, hängt davon ab, was dir vorgeworfen wird.
Bei Verwaltungsübertretungen wie z.B. Störung der öffentlichen Ordnung, Lärmbelästigung oder Verstöße gegen das Versammlungsrecht musst du gemäß § 36 Abs 1 VStG nach spätestens 24 Stunden wieder freigelassen werden.
Bei gerichtlich strafbaren Delikten wie z.B. Sachbeschädigung oder Widerstand gegen die Staatsgewalt muss dich die Polizei gemäß § 172 StPO nach spätestens 48 Stunden freilassen oder innerhalb dieser Frist an das Gericht (Justizanstalt) überstellen, wo ein_e Untersuchungsrichter_in auf Antrag der Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft verhängt.
Diese Maximaldauer wird in der Praxis üblicher Weise nicht zur Gänze ausgenützt. Normalerweise wirst du mehrere Stunden festgenommen, dann eine förmliche Vernehmung durch die Polizei haben und danach entlassen werden bzw. bei Strafsachen und Vorliegen der Voraussetzungen in Untersuchungshaft genommen werden.
4) Was sind meine Rechte?
Beachte, dass du im Falle einer Festnahme einige sehr wichtige Rechte hast. Diese Rechte werden dir in der Praxis aber leider nicht einfach so zugestanden. Meist musst du mehrmals bestimmt auf deine Rechte bestehen eher sie dir die Polizei gewährt. Bestehe bestimmt und lästig, aber nicht ungut, auf deine Rechte und lass dich nicht einschüchtern!
- Information darüber wieso du festgenommen worden bist
- Das Recht die Aussage zu verweigern – Mach keine Aussage bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft
- Das Recht nichts unterschreiben zu müssen
- Das Recht auf zwei erfolgreiche (!) Anrufe: Informiere die Rechtshilfe und bei Bedarf eine Person deines Vertrauens
- Das Recht eine_n Anwält_in zu kontaktieren, dich vor einer Vernehmung mit ihm/ihr zu besprechen und bei der Vernehmung eine_n Anwält_in dabei zu haben.
- Minderjährige (dh unter 18 Jahre alt) haben zusätzlich das Recht bei der Vernehmung eine Person ihres Vertrauens dabei zu haben.
Nach der Festnahme wirst du zu einer Polizeistation oder einem Polizeianhaltezentrum (in Wien meist Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände) gebracht. Du erhältst nach der polizeilichen Aufnahme meist zwei Informationszettel über deine Rechte (Festnahmeblatt) und über die Möglichkeit den anwaltlichen Notdienst (siehe unten) in Anspruch nehmen zu können.
Die Polizei muss dich gemäß Art 5 Abs 2 EMRK darüber informieren, warum du festgenommen wurdest. Gerade, wenn dir unbekannte Paragrafen genannt werden, frage nach, ob dir eine Verwaltungsübertretung oder ein strafrechtliches Delikt vorgeworfen wird, was die Paragrafen bedeuten und für was sie stehen.
Auch wenn du mehrmals aufgefordert werden wirst, bestimmte Dokumente zu unterschreiben, bist du nie verpflichtet etwas zu unterschreiben. Da dir eine Unterschrift nichts nützt, empfehlen wir zur Sicherheit nichts zu unterschreiben, auch wenn dies die Polizist_innen meist etwas verärgert.
In letzter Zeit kommt es auch immer häufiger vor, dass Festgenommene noch im PAZ ihre Strafverfügung erhalten und auch aufgefordert werden, diese gleich zu bezahlen. Dazu bist du erstens nicht verpflichtet und zweitens ist es auch wenig empfehlenswert, weil du dir damit die Chance nimmst, Einspruch zu erheben und gegen die Strafe vorzugehen.
Du hast gemäß § 171 Abs 3 StPO und § 36 Abs 3 VStG das Recht auf zwei erfolgreiche (!) Anrufe „nach draußen“. Nutze deine zwei Anrufe und informiere die Rechtshilfe und bei Bedarf eine Person deines Vertrauens über deine Festnahme, wo du bist, was dir vorgeworfen wird (nicht was tatsächlich passiert ist) und ob noch irgendwer verständigt werden soll. Wenn du anwaltliche Unterstützung benötigst, ersuche entweder die Rechtshilfe dir eine_n Anwält_in zu vermitteln oder nutze im Notfall den anwaltlichen Notdienst.
Der anwaltliche Notdienst ist eine rund um die Uhr erreichbare Telefonnummer der Rechtsanwaltskammer, die Verhafteten die Möglichkeit geben soll, anwaltliche Vertretung rasch in Anspruch nehmen zu können. Ein derartiger Notfallanwalt/anwältin kostet dich 120 Euro pro Stunde – was bei normalen Vernehmungen, Hin- und Rückfahrt der Anwält_in insgesamt meist zu Kosten von 240-360 Euro führt.
5) Aussageverweigerung
Eines deiner wichtigsten Rechte als Beschuldigte_r ist dein Recht auf Aussageverweigerung (§ 7 StPO bzw § 33 Abs 2 VStG). Sowohl im Verwaltungsstrafverfahren als auch im Strafverfahren hast du das Recht, die Aussage zu verweigern. Gib lediglich deinen vollen Namen, Geburtsdatum und Meldeadresse bekannt. Auch wenn du nicht festgenommen wirst, sondern von der Polizei „nur“ deine Identität festgestellt oder von dir eine Auskunft (Befragung) haben will, bist du nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten (§ 34 SPG).
Wenn du festgenommen wirst, empfehlen wir dringendst, von deinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen! Beachte, dass ab dem Zeitpunkt der Festnahme jede Aussage gegenüber der Polizei eine Aussage ist. Eine Aussageverweigerung machst du daher nicht nur bei der förmlichen Vernehmung, sondern auch gegenüber den Polizist_innen, die dich festnehmen, dich durchsuchen, deine Personalien aufschreiben, dich im Polizeianhaltezentrum aufnehmen oder dich zur Zelle begleiten. Führe auch keinen Smalltalk oder harmlose Gespräche mit der Polizei oder mit anderen Inhaftierten im Arrestwagen – du kannst nie wissen, ob nicht auch ein_e Zivilpolizist_in oder eine Kamera dabei sind.
Beachte, dass eine Festnahme eine immense Stresssituation für dich ist. Mit einer Aussage schadest du dir nur. Entweder die Polizei hat bereits Beweise gegen dich in der Hand, dann kannst du mit einer Aussage auch nichts daran ändern, oder die Polizei hat keine Beweise gegen dich in der Hand, dann würdest du mit einer Aussage der Polizei nur Informationen liefern, die sie bisher noch nicht hatte. Du wirst durch deine Aussage auch keine Verkürzung der Festnahmezeit bewirken!
Wir empfehlen dir daher dringend, nichts zu sagen und auch nichts zu unterschreiben! Du hast im späteren Verlauf eines Verfahrens noch ausreichend Zeit nach Akteneinsicht und rechtlicher Beratung eine Aussage in Erwägung zu ziehen.
Siehe dazu auch den Artikel zur Aussageverweigerung.
6) Fingerabdrücke, Fotos, etc
Die Abnahme von Fingerabdrücken, Bild/Video/Fotoaufnahmen oder Schrift- und Stimmproben, Messung von deinem Gewicht oder Größe werden „erkennungsdienstliche Maßnahmen“ genannt.
Fingerabdrücke, Bild/Video/Fotoaufnahmen, DNA-Proben oder Schrift- und Stimmproben darf dir die Polizei gemäß § 65 SPG nur dann abnehmen, wenn du verdächtigt wirst eine gerichtlich strafbare Handlung (z.B. Sachbeschädigung, Körperverletzung, etc) begangen zu haben. Wird dir nur eine Verwaltungsübertretung vorgeworfen, darf die Polizei dies nicht. Frage daher immer genau nach was dir vorgeworfen wird!
Wenn du dich bei der erkennungsdienstlichen Behandlung weigerst, kann die Polizei diese Untersuchung bzw Abnahme von Daten gemäß § 78 SPG mit Gewalt durchsetzen.
Körperliche Untersuchungen wie Blutabnahmen, Körperöffnungen (Mund, After, Vagina), Röntgen, darf die Polizei nie von sich aus machen. Nur ein_e Ärzt_in darf diese Untersuchung durchführen, sofern die Staatsanwaltschaft dies beantragt und eine Richter_in zustimmt. Bestehe daher im Falle einer Untersuchung auf die Vorlage dieser Dokumente. Du bist nicht zu aktiven Mitwirkung bei der Untersuchung verpflichtet.
Wird dein Verfahren eingestellt oder wirst du freigesprochen, kannst du die Löschung dieser Daten beantragen. Ob derartige Daten von dir gespeichert sind, kannst du mittels eines datenschutzrechtlichen Auskunftsbegehrens feststellen.
7) Nach der Freilassung
Nachdem du freigelassen worden bist, informiere bitte die Rechtshilfe darüber. Nach so einer Streßsituation solltest du mal Pause machen und runter kommen. Hol dir aktiv Unterstützung bei Freund_innen und Personen deines Vertrauens, sofern dich diese nicht nach der Entlassung abholen. Iss und trink mal was, schlaf dich aus und gönn dir ein wenig Ruhe. Sich nach so einer Streßsituation gleich ins nächste Abenteuer zu stürzten, wäre eindeutig eine schlechte Entscheidung.
Nachdem du dich wieder etwas erholt hast, empfehlen wir möglichst bald ein Gedächtnisprotokoll als Gedächtnisstütze für dich zu schreiben. Suche möglichst rasch auch den Kontakt zur Rechtshilfe oder einer anderen Antirepressionsgruppe um dich über ein mögliches Verfahren und deine Rechte zu informieren und weitere rechtliche Schritte abzuklären.
Solltest du in Polizeigewahrsam verletzt worden sein, dokumentiere deine Verletzungen mit Fotos, Zeug_innen und einem Gedächtnisprotokoll. Bei einem eventuellen Gerichtsverfahren kann das alles sehr nützlich sein. Sonst kannst du dich gegen schlechte Behandlung durch die Polizei mittels mehreren Beschwerdemöglichkeiten rechtlich wehren. Kläre diesen rechtlichen Schritt jedoch genau mit der Rechtshilfe oder rechtlicher Beratung ab und beschwere dich nicht leichtsinnig.
Wenn du als Verletzte_r ins Krankenhaus oder zu einem Arzt/einer Ärztin kommst, beachte, dass bei Verletzungen durch Andere (Polizei) eine automatische Anzeige durch das Krankenhaus gemacht wird. Du solltest daher gut abwägen, ob es klug ist, Verletzungen als Folge von Polizeihandeln zu bezeichnen. Eine Anzeige gegen die Polizei kann nämlich in der Praxis oft auch zu einer Gegenanzeige wegen Verleumdung führen.
Beachte auch, dass Festnahmen und Kontakt mit Polizei auch eine extreme psychische Belastung sein können. Die Bewältigung von Stress und der Umgang mit Trauma ist daher genauso wichtig, wie die rechtliche Nachbereitung.
Siehe auch: