Repression ist eine Form von Unterdrückung. Die, von der wir heute sprechen, ist die hegemonial geduldete und meist staatlich legitimierte Gewaltanwendung. Wie auch in anderen Lebensbereichen ist diese Gewalt nicht (nur) physisch zu verstehen. Staatliche Gewalt meint nicht nur rechtmäßiges und rechtwidriges Verhalten von Seiten der Exekutive, wie willkürliche Gewalt in Form von Schlägen, Tritten und ähnlichem, sondern auch viele andere Faktoren, oftmals innerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens: Beispielsweise ist alleine die Angst vor behördlichen Maßnahmen als Repression zu verstehen. Diese Form der Unterdrückung ist wirkungsstark. Sie ist auch ohne direkte Maßnahmen ein im Denken und Handeln einschränkender Mechanismus. Die Angst vor potentieller rechtlicher Verfolgung bringt uns dazu, Dinge die wir gerne machen würden, nicht zu tun oder zumindest viel Zeit für die Abwägung von Für und Wider (das rechtliche Verbot und potentielle Verfolgung) aufzuwenden, aber auch Personen aus Angst zu misstrauen.
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No Comment – Überlegungen zur Aussageverweigerung
Ich wurde verhaftet und halte meinen Mund….
Welche Tricks kann ich aber von der Polizei erwarten, um mich doch zum Reden zu bringen und woher soll ich wissen, ob stimmt, was sie behaupten? Diese Sammlung von Sätzen und Fragen, soll dir dabei helfen, dich nicht einschüchtern zu lassen und von deinem Recht auf Aussageverweigerung trotz des großen Drucks Gebrauch zu machen.
Warum überhaupt Aussageverweigerung?
Aussageverweigerung ist einerseits ein taktisches Mittel um selbst in einem späteren Verfahren nicht strategisch eingeschränkt zu sein oder ein solches überhaupt zu verhindern.
Andererseits betrifft sie jedoch auch andere, die du – auch ohne es zu wissen – belasten kannst. Es ist Teil von Repression, die Solidarität zwischen Aktivist_innen zu zerstören, indem sie gegeneinander ausgespielt werden.
Die folgenden Dialogauszüge sind häufig verwendete rhetorische Tricks, mit denen Polizeibeamt_innen Menschen in Verhörsituationen zu verunsichern versuchen. Ihr Ziel ist es immer, so viel wie möglich über dich und deinen Freund_innen/Genoss_innen herauszufinden. Lasst euch nichts einreden. Nichts sagen ist immer die bessere Option!
1. „Herr Hofer, wir wissen, dass Sie das waren! Ihre Freundin sitzt im Raum nebenan und hat Sie gerade mit ihrer Aussage schwer beschuldigt.“
Dieses Spielchen ist eines der bekanntesten und sehr unangenehm. Höchstwahrscheinlich ist es einfach eine Lüge, die dir das Gefühl geben soll, dass du von den anderen allein gelassen wirst und du, wenn du keine Aussage machst, als schuldig betrachtet werden wirst. Diese Strategie ist besonders verunsichernd, wenn du mit Leuten unterwegs warst, die du nicht gut kennst und ihr euch im Vorhinein nichts Konkretes ausgemacht habt. Trotzdem, denke daran, dass eine Aussage eines der wichtigsten Beweismittel in einem Ermittlungsverfahren ist und immer gegen dich und andere beteiligte Personen verwendet werden kann.
2. „Wir wissen, dass Sie es nicht waren. Aber wir wissen auch, dass Sie wissen wer es getan hat. Kommen’s Frau Maier, sein’s nicht dumm und sagen’s uns doch einfach was da passiert ist.“
Die Beamten_innen werden versuchen, besonders entgegenkommend und nett zu wirken, um dir das Gefühl zu geben, dass du dich aus der unangenehmen Situation befreien kannst. Mit deiner Aussage kannst du aber Freunde und Freundinnen oder auch dich selbst schwer belasten. Halte durch.
3. “Sobald wir wissen, was passiert ist, können’s jederzeit gehen!“
Das ist kein Entgegenkommen, sondern eine Drohung, dich länger zu inhaftieren. Eventuell stimmt das auch. Gehst du darauf ein, hast du vor deiner Entlassung jedoch dich selbst oder andere belastet! Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dich früher gehen lassen, auch ohne dass du etwas gesagt hast, ist nicht gering und je nach Vorwurf müssen sie dich so und so nach 48 Stunden (bei einem strafrechtlichem Vorwurf) bzw. 24 Stunden (bei einer Verwaltungsübertretung) gehen lassen. Außerdem kann gerade eine Aussageverweigerung zu einer früheren Entlassung führen, wenn von Anfang an klar ist, dass das Verhör der Polizei keine neuen Erkenntnisse bringen wird.
4. „ So Frau Maier, Sie haben also gedacht Sie können da durch die Stadt spazieren und einfach einmal alles Mögliche kaputt machen. Wir wissen ganz genau, was Sie heute alles gemacht haben und Sie sagen uns jetzt was wir wissen wollen, damit Sie einigermaßen heil aus der Sache wieder rauskommen!“
Ein billiger Trick um den Druck auf dich zu erhöhen. Mit deiner Aussage kannst du im schlimmsten Fall ihren Verdacht nur bestätigen oder überhaupt erst begründen. Die Polizei ist außerdem natürlich nicht wirklich daran interessiert, dich zu entlasten. In vielen Fällen wissen sie auch weniger als sie vorgeben, deine Aussage kann ihnen wichtige Informationen liefern, die gegen dich oder andere, von denen du vielleicht noch gar nichts weißt, verwendet werden, auch wenn du denkst, dass sie dich eigentlich entlastet, weil du ja nichts gemacht hast. Es ist meistens nicht möglich, in einer Festnahmesituation oder einem Polizeiverhör abzuschätzen, welche Informationen für dich entlastend oder belastend sind. Auch kannst du ihnen damit Informationen geben, mit denen sie weiterermitteln könnten. Das werden sie auch tun. Letztendlich können dir ganz banale Aussagen zum Verhängnis werden. Und selbst wenn Informationen entlastend sind, ist es keine gute Idee, diese als erstes den Bullen zu geben. Diese kannst du genauso später nach Rücksprache mit Freund_innen, Rechtshilfegruppen oder Anwältinnen und außerhalb einer derartigen Stresssituation dem Gericht geben. Denk daran, die Polizei ist eine Behörde, die GEGEN dich ermittelt. Wenn sie entlastende Beweise von dir kennt, kann sich die Polizei auch besser auf diese vorbereiten
5. „Was macht denn ein junger Mensch wie Sie da überhaupt?“
Andere Strategie aber das Ziel soll dasselbe sein.
6. „So, Sie bleiben jetzt einmal hier bis Sie mit uns reden!“
7. „Wenns nichts sagen, behalten wir Sie einfach noch ein bisschen länger hier!“
Das ist so nicht möglich. Je nach Vorwurf müssen sie dich nach 48 Stunden (strafrechtlichem Vorwurf) oder 24 Stunden (Verwaltungsübertretung) gehen lassen. Im schlimmsten Fall entscheidet ein/e Haftrichter_in darüber, ob du in Untersuchungshaft kommst. Die Bullen können das nicht allein entscheiden und werden versuchen den/die Untersuchungsrichter_in mit allen Infos, die sie haben, zu überzeugen, dich einzusperren. Eine unangenehme Vorstellung, länger eingesperrt zu werden! (Davon solltest du jedoch nicht ausgehen.) InWien ist das im Kontext von Demos sehr selten der Fall, trotzdem ist es nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich muss einer von drei Gründen erfüllt sein, damit Untersuchungshaft verhängt werden kann ((Informiere dich auf unserer Seite dazu)). Aussageverweigerung gehört nicht dazu.
Die Drohung mit Untersuchungshaft macht natürlich Angst. Wenn du dir sehr unsicher bist, informiere die Rechtshilfe und bitte sie, Kontakt mit eine_r Anwält_in herzustellen oder kontaktiere den anwaltlichen Notdienst. Du bekommst wenn du festgenommen wirst ein Infoblatt dazu, beachte auf jeden Fall, dass der Notdienst kostenpflichtig ist und du nicht weißt, wer dir als Verteidigung zugeteilt wird.
8. „Wenn Sie jetzt nicht mit uns reden, wird das dem Richter nicht gefallen.“
Die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern ist im Gesetz vorgesehen. Theoretisch ist es natürlich möglich, dass du den Eindruck erweckst, unkooperativ zu sein. Auch wenn du bei den Cops die Aussage verweigerst, kannst du dich später in einer Verhandlung immer noch erklären. Hier ist auch Raum für deine Version des Vorgangs. Außerdem kann eine Aussage vor der Polizeiweit schlimmere Folgen für dich und andere haben, als der schlechte Eindruck vor Gericht.
9. „Wenn Sie jetzt nichts reden, kann das Ganze noch ernster werden als es eh schon ist.“
Das ist so einfach nicht möglich und nur Panikmache, um dich zu verunsichern. Erfahrungen zeigen, dass Aussageverweigerung sich positiv auf eventuell folgende Verfahren auswirkt.
10. „Grüß Gott, na was ist denn da los? Der Herr Kollege ist nicht sehr glücklich mit Ihnen. Sagn’s mir doch einfach was passiert ist und er wird Sie nicht mehr ärgern. Wissen’s, der ist halt auch schon müd und verliert schnell seine Nerven. Wollen Sie etwas zu trinken? Und dann reden wir doch ganz kurz darüber was da passiert ist.“
Der „nette“ Kollege/die „nette“ Kollegin will das gleiche wie alle anderen auch! Er oder sie wird dir vielleicht etwas zu Trinken, eine Decke,… anbieten. Das kannst du alles gerne annehmen aber reden musst und solltest du deshalb nicht. Vergiss nicht: Du belastest dich selbst und andere mit deiner Aussage unnötigerweise!
11. „Ihnen wird … vorgeworfen. Damit haben Sie mehr Grund als alle anderen uns jetzt die Wahrheit zu sagen.“
Wieder nur ein Trick. Der Druck auf dich steigt und sie wollen, dass du dich einsam fühlst in dieser Situation. Auch sind die Vorwürfe, die in einer Verhörsituation genannt werden, oft nicht die, wegen denen es später zu einem Verfahren kommt. Halte durch, deine Lieben warten schon auf dich. Um das Restliche kannst du dich später kümmern.
12. „Aiaiai, meine Enkelin ist ja auch eine kleine Rebellin. Na schaun’s, ich will Ihnen ja nichts tun…“
Einfach nicht glauben! Ein Trick um dich mit dem Gegenüber zu versöhnen und eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu kreieren. Es ist nun einfach so, dass auch dieser Polizist/ diese Polizistin ihren Job macht und deine Aussage Ermittlungen ermöglicht.
13. „Ermittlungsarbeiten zu behindern in dem Sie uns nicht weiterhelfen, ist strafbar.“
Eine glatte Lüge! Es ist dein Recht, nicht auszusagen.
14. „Sie sind offensichtlich nicht dumm. Ich biete Ihnen einen Deal an. Sie erzählen uns von der einen Sache und dafür vergessen wir einfach die andere. Außerdem erklären wir dem Richter, dass Sie mit uns kooperiert haben. Das senkt das Strafmaß sicherlich nochmals. Wie hört sich das für Sie an?“
Kein guter Deal! Never trust the police. Welche andere Sache? Gibts dazu Unterlagen? Woher können sie davon wissen? Alles legitime Fragen! Aber das Verhör ist nicht der Raum, in dem du diese Entscheidungen fällen musst. Lass dich nicht verunsichern! Diese Dinge kannst du alle in Ruhe mit deiner Verteidigung später bereden.
Andere Strategien der Polizei
Manchmal werden Verhaftete auch von einer Zelle in eine andere verlegt um ihnen zu suggerieren, dass sie die Nacht im Polizeianhaltezentrum verbringen müssen. Erfahrungen zeigen, dass auch dieses Vorgehen oft dazu dient, die Betroffenen weiter einzuschüchtern und zu (mehr) Kooperation zu bewegen. Auch in diesem Fall lohnt es sich, weiter durchzuhalten, weil eine Aussage auch hier nichts verändern wird und es außerdem oft nur ein mieser Trick ist.
Es gibt Berichte darüber, dass Aktenstapel vor dir auf den Tisch gelegt werden um zu suggerieren, dass es schon viele Beweise gibt. Auch wurden schon Fotos vorgelegt und die beschuldigte Person dazu aufgefordert, die Abgebildeten zu identifizieren. Auch das ist eine Aussage, die du verweigern kannst und auf jeden Fall solltest. Pass auch auf, was du in der Zelle redest. Auch das kann mitgehört und gegen dich und andere verwendet werden.
Wenn es dir hilft, geh in Gedanken immer wieder durch, dass du nichts sagen wirst, außer „Ich verweigere die Aussage“.
Versuche im Kopf zu behalten, dass die unangenehme Situation höchstwahrscheinlich bald vorbei sein wird und deine Freund_innen draußen schon auf dich warten. Danach kannst du dich bei Antirepressionsgruppen melden, und/oder dich mit anderen Betroffenen vernetzen. Denk dran: du bist nicht allein und es geht vorbei!
Das Staatsschutzgesetz (PStSG)- Infos zum aktuellen Entwurf
Was ist das PStSG?
Das „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“ (PStSG) ist ein Gesetzesentwurf, der die Kompetenzen des Verfassungsschutzes neu und vor allem konkreter regeln soll. Bis jetzt waren diese lediglich im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) festgeschrieben. Das PStSG räumt dem Verfassungsschutz weitreichende Ermittlungsbefugnisse zur „Prävention vonreligiös bzw. weltanschaulich motivierter Gewalt“ ein.
Erstmals gibt es eine gesetzliche Grundlage, die sich ausschließlich auf die Befugnisse des Verfassungsschutzes bezieht.
Im März 2015 präsentierte Innenministerin Mikl-Leitner gemeinsam mit dem Direktor des BVT, Peter Gridling, erstmals die entsprechende Regierungsvorlage. Mittlerweile hat der Entwurf den Ministerrat passiert und wurde dabei in einigen Punkten entschärft. Statt wie geplant schon im Jänner 2016, soll das Gesetz nun am 1. Juni 2016 in Kraft treten.
Was ist der österreichische Verfassungsschutz?
Der Verfassungsschutz in der heutigen Form ist 2002 durch die Zusammenlegung mehrerer Behörden (u.a. der Staatspolizei) im Zuge einer Reform unter Innenminister Ernst Strasser entstanden. Seither wurden seine Befugnisse kontinuierlich ausgeweitet.
Die Konzeption des österreichischen Verfassungsschutzes ist im Vergleich zu anderen Staaten einzigartig: In Deutschland steht das sogenannte „Trennungsgebot“ im Verfassungsrang. Damit soll verhindert werden, dass es eine verdeckt agierende Polizeibehörde mit extrem weitreichenden Befugnissen gibt. Deshalb sind geheimdienstliche und sicherheitspolizeiliche Tätigkeiten organisatorisch strikt voneinander getrennt. Der Verfassungsschutz in Österreich hat jedoch sowohl polizeiliche Befugnisse wie die Anwendung von Zwangsgewalt, als auch die Befugnisse eines Inlandsgeheimdienstes, das heißt dass Vorfeldermittlungen zulässig sind.
Der Rechtsschutzbeauftragte
Für die Ermittlungen braucht es im Gegensatz zu kriminalpolizeilichen Ermittlungen keinen richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Beschluss, sondern lediglich eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten. Der Rechtsschutzbeauftrage ist Teil des Innenministeriums und untersteht daher derselben Behörde wie der Verfassungsschutz. Infolgedessen fällt jede, zumindest in der Theorie, unabhängige Kontrollinstanz weg. Außerdem erfolgt die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten pauschal für alle Überwachungsmöglichkeiten, die nach dem PStSG möglich wären, für maximal 6 Monate.
Der Rechtschutzbeauftragte ist über die Ermittlungen der Landes- und Bundesämter zu informieren. Diese Informationspflicht entfällt jedoch, wenn die Sicherheit von Zeug_innen bei Bekanntwerden ihrer persönlichen Daten gefährdet wäre.
Im ersten Entwurf konnte die Informationspflicht gegenüber dem RSB noch leichter ausgehebelt werden: Dem Rechtsschutzbeauftragten konnte die Auskunft verwehrt werden, wenn die nationale bzw. die Sicherheit von Menschen dadurch gefährdet werden könnte. Der Verfassungsschutz hätte so eigenmächtig entscheiden können, welche Informationen der als Kontrollinstanz vorgesehenen Stelle vorenthalten worden wären. Dies hätte den ohnehin schon gering ausgeprägten Rechtsschutz gefährdet.
Was bedeutet „Erweiterte Gefahrenerforschung“?
Die zentrale Kompetenz des BVT/der Landesämter ist die Erweiterte Gefahrenerforschung, die im Jahr 2000 eingeführt wurde. Das bedeutet, dass die genannten Behörden befugt sind, zu ermitteln bevor ein konkreter Tatverdacht vorliegt. In Bezug auf Gruppen wurde die alte Rechtslage übernommen: Wenn der Verfassungsschutz den Verdacht hat, dass in Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder die zu erwartenden Entwicklungen im Umfeld damit zu rechnen ist, dass es zu „mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität“ kommt, darf die erweiterte Gefahrenerforschung zur Anwendung kommen. Hervorgehoben wird dabei insbesondere „weltanschauliche oder religiös motivierte Gewalt“.
Bei Einzelpersonen kam es zu folgender Änderung: Die genannten Behörden sind befugt zu ermitteln, sofern aus ihrer Perspektive ein begründeter Verdacht auf einen „verfassungsgefährdenden Angriff“ in der Zukunft besteht.
Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf gelten unter anderem folgende Delikte als „verfassungsgefährdend“:
- Landfriedensbruch (§ 274 StGB), aber nur bei führender Teilnahme („Rädelsführerschaft“) und „religiöser bzw. weltanschaulicher Motivation“
- Beteiligung oder Gründung und Finanzierung einer terroristischen Vereinigung (§278b/d)
- die Ausbildung zu terroristischen Zwecken (§278e)
- Mord, Körperverletzung, schwere Nötigung, gefährliche Drohung, wenn dieseTatbestände „religiös oder weltanschaulich motiviert“ sind(§278c).Das gleiche gilt für schwere Sachbeschädigung, sofern dadurch eine „Gefahr für das Leben anderer oder fremdes Eigentum in großem Ausmaß“ entstehen kann.
- die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§278f)
- einige Delikte aus dem Verbotsgesetz
-
Aufstellung einer bewaffneten Verbindung/Bewaffnung einer bestehendenVerbindung(§279 StGB)
-
Ansammlung von Kampfmitteln (§280 StGB)
-
Verhetzung (§283 StGB)
-
Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen bzw. deren Gutheißung (§282 StGB)
Insgesamt umfasst die Liste etwa 100 Tatbestände, die zu Ermittlungsmaßnahmen nach dem PStSG ermächtigen, sobald nur der Verdacht vorliegt, eine Person könnte sie in Zukunft begehen.
In der ersten Fassung des Entwurfes zum PStSG galten noch mehr Vorwürfe, die üblicherweise gegen linke Gegendemonstrant_innen erhoben werden, wie Störung bzw. Sprengung einer Versammlung als „verfassungsgefährdend“.
Nach einer Überarbeitung der Regierungsvorlage wurden diese jedoch gestrichen. Vormals wäre es möglich gewesen, schon im Vorfeld weitreichend zu ermitteln, wenn der Verfassungsschutz die Störung einer Versammlung in der Zukunft für wahrscheinlich gehalten hätte — ein Verdacht der leicht zu konstruieren gewesen wäre. Aufrufe zur Verhinderung von rechten Demos hätten bereits als Grundlage für einen solchen Verdacht dienen können.
Auch wenn damit eine besonders problematische Bestimmung im neuen Entwurf entfällt, bleibt die Tatsache, dass bei einem bloßen Verdacht auf ein riesiges Repertoire an Überwachungsmaßnahmen zurückgegriffen werden kann, bestehen.
Welche Überwachungsmaßnahmen können nach dem PStSG eingeleitet werden?
In einem solchen Fall kann der Verfassungsschutz durch Observation, verdeckte Ermittlung, Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (unter Umständen auch verdeckt), Einholung von Auskünften von Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste (Standortdaten, IP-Adressen und Kontaktdaten) oder Beförderungsunternehmen personenbezogene Daten (z.B. Reisedaten) über eine Einzelperson bzw. eine Gruppe ermitteln.
Solche Daten können auch über Kontakt- und Begleitpersonen erhoben werden, sofern der Verfassungsschutz eine „nicht bloß zufällige“ Verbindung zwischen den Personen sieht. Somit besteht quasi eine Ermächtigung, das ganze Umfeld einer Person, gegen die selbst nur ein vager Verdacht besteht, zu überwachen.
Zur verdeckten Ermittlung können Kriminalbeamt_innen wie auch Privatpersonen, sogenannte Vertrauenspersonen, eingesetzt werden, wenn “die erweiterte Gefahrenerforschung durch den Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre“. Über die Informant_innen wird bei der Polizei eine Datenbank geführt.
Eine Rasterfahndung, also der automatisierte elektronische Datenabgleich, wird im Entwurf explizit ausgeschlossen. Jedoch können Informationen, insbesondere aus dem Internet bezogen werden, wenn dafür keine über die Erstellung eines eigenen Accounts hinausgehenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind. Das Gesetz macht also deutlich, dass Daten aus sozialen Netzwerken im Fokus der Ermittler_innen stehen und sie sich dafür auch einen eigenen Account erstellen dürfen.
Im ursprünglichen Entwurf war auch schon beim Vorliegen eines bloßen
„Gefahrenverdachtes“ der automatisierte Datenabgleich im Internet möglich. Dies ist laut der neuen Fassung nur bei einem „konkreten Tatverdacht“ zulässig.
„Personenbezogene Daten“ sind z.B. Namen, Aliasnamen, Geburtsdatum, Geburtsort, erkennungsdienstliche Daten (also Fingerabdrücke, Foto – nicht bei Begleit- und Kontaktpersonen), Beruf oder die Lebensverhältnisse einer Person.
Wie lange werden die Daten gespeichert?
Nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erteilt wurde sind die ermittelten Daten von der Behörde zu löschen, sofern kein Anlass für weitere Ermittlungen besteht. Wenn zu erwarten ist, dass es erneut Anlass zu einer erweiterten Gefahrenerforschung geben wird (insbesondere „Aktivitäten im Ausland“) kann die Löschung unterbleiben, spätestens müssen die Daten aber nach 6 Jahren gelöscht werden. Ob dieser Pflicht Folge geleistet wird bleibt jedoch fraglich. Nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung erteilt wurde, ist die betroffene Person über die Ermittlung zu informieren. Da Betroffen in der Regel nichts von den Ermittlungen erfahren sollen scheint es unwahrscheinlich, dass diese Informationspflicht eingehalten wird.
Gibt es Möglichkeiten juristisch gegen die Überwachung vorzugehen?
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit sich über Ermittlungsmaßnahmen zu beschweren – wie bereits erwähnt ist es jedoch unwahrscheinlich, dass man als betroffene Person überhaupt von der Überwachung erfährt.
Außerdem gilt in Österreich kein Beweisverwertungsverbot, das bedeutet, dass grundsätzlich auch rechtswidrig beschaffte Daten in Gerichtsverfahren verwendet werden dürfen.
Was sind Körperkameras?
Im Zuge der Reform wurde auch eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Körperkameras geschaffen. Polizist_innen würden demnach Kameras an der Uniform tragen, die sie selbst nach Ankündigung einschalten dürfen. Es kann auch Ton aufgezeichnet werden. Damit sollen die Geschehnisse, die sich im Zuge einer Amtshandlung ereignen, dokumentiert werden. Das Material darf nach dem Entwurf jedoch nur zur Verfolgung dieser strafbaren Handlungen verwendet werden. Das erhobene Videomaterial ist verschlüsselt aufzubewahren und Zugriffe darauf sind zu protokollieren.
Immer wieder wird der Schutz vor Polizeigewalt als Argument für die Einführung von Körperkameras vorgebracht. Da die amtshandelnden Beamt_innen selbst entscheiden, wann sie die Kameras einschalten und auch das Material von ihnen aufbewahrt wird, ist es fraglich, ob dieses jemals als Beweismittel in Verfahren gegen Polizist_innen verwendet werden wird. Insofern gehen wir davon aus, dass Körperkameras eine zusätzliche Überwachungsmöglichkeit darstellen, statt einem wirksamen Schutz vor polizeilichen Übergriffen.
Wie kann man sich sonst schützen?
Letztlich ist das PStSG ein klares Bekenntnis zu mehr Überwachung und mehr Repression. Geheimdienstliche Tätigkeiten sind per se schwer zu kontrollieren. Auch ob der Entwurf schon bestehende Praxen kodifiziert, ist schwer zu überprüfen. Die Möglichkeiten juristisch gegen Überwachungsmaßnahmen vorzugehen sind sehr begrenzt. Um sich vor staatlicher Repression zu schützen bleiben bewährte Mittel: Verschlüsselung von E-Mails und Festplatten, ein vorsichtiger Umgang mit Handys und sozialen Netzwerken sowie konsequente Aussageverweigerung.
„Vorbeugung“ und „Deeskalation“: Körperkameras als Repressionsmaßnahme
Kürzlich berichtete die Tageszeitung „Die Presse“ erstmals über geplante „Pilotversuche“ zum Einsatz von Körperkameras an Polizist_innen in Wien und zwei noch nicht näher konkretisierten Bundesländern. Innenministerin Mikl-Leitner kündigte bereits im Juni 2014 an, die rechtliche Zulässigkeit von „Body-Cams“ prüfen zu lassen. Mittlerweile sind die Körperkameras auch im Entwurf des reformierten Sicherheitspolizeigesetz (SPG) vorgesehen. Die Novelle ist Teil der geplanten Staatsschutzreform und im Kontext der großangelegten Erweiterung von sicherheitspolizeilichen Befugnissen zu sehen. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass die Körperkameras in näherer Zeit Teil der Polizeiarbeit sein werden. Aufgezeichnet werden nicht nur Bilder sondern auch Ton.
Seit den Protesten gegen den Akademiker-Ball 2014 filmt die Polizei immer häufiger Demonstrationen. Bisher waren auf Demos oft Kamerawagen oder Beamt_innen mit Kameras im Einsatz. Erfahrungen zeigen, dass für die Polizei belastendes bzw. für Beschuldigte entlastendes Material oft ungern herausgerückt wird. In einem Prozess vor einigen Monaten war die relevante, den Polizisten belastende Sequenz sogar herausgeschnitten worden, wie man am Zeitstempel der Videoaufnahmen sehen konnte. Die mehrstündigen Videoaufnahmen zeigten primär Gesichter von Demonstrant_innen in Nahaufnahme, kein Wunder also, dass das Videomaterial erst nach mehrmaligem Nachhaken der Richterin herausgegeben wurde, da die Aufnahmen nicht den Einsatz an sich, sondern nur die Identität der Anwesenden dokumentierte.
Die Körperkameras sollen laut geplantem Gesetz nicht permanent eingeschaltet sein, sondern nur dann von den Beamt_innen aktiviert werden, wenn es zu einer Amtshandlung kommt. Das bedeutet, dass die Cops selbst entscheiden können, wann sie mitfilmen und wann nicht. Die Hoffnung, dass Übergriffe seitens der Polizei durch die Kameras dokumentiert würden, wird sich deshalb höchstwahrscheinlich nicht erfüllen. Auch stellt sich die Frage inwiefern Schläge und ähnliche gewalttätige Handlungen der Cops im Hinblick auf die Qualität der Aufnahme überhaupt zu erkennen wären. Grundsätzlich hätten die Polizist_innen im Gegenzug aber die Möglichkeit, alle möglichen Situationen mitzufilmen. Da in Österreich kein Beweisverwertungsverbot besteht, können auch rechtswidrig erlangte Beweise in Gerichtsverfahren verwendet werden. Vieles ist noch nicht klar, etwa ob es sichtbar sein wird ob die Kamera eingeschaltet ist oder ob bzw. welche Konsequenzen es haben wird wenn sie nicht aktiviert war. Dem Entwurf zur Folge sollen die Aufgezeichneten über den Einsatz der Kameras informiert werden, außer der Einsatz ist „zweifelsfrei erkennbar“.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Körperkameras eine Erweiterung der Überwachung darstellen statt einen wirksamen Schutz vor Übergriffen. Während das offene Tragen von Dienstnummern abgelehnt wird, da es zu „Denunzierungen“ der Beamt_innen führen würde, sollen Cops zu laufenden Kameras werden. Auch sagt das Innenministerium offen, dass die Körperkameras der Prävention und Abschreckung von Personen v.a. bei Demonstrationen dienen sollen. Allein das Androhen von Überwachung ist eine repressive Maßnahme, die leider durchaus funktioniert und zu einer ständigen Selbstkontrolle führen kann. Unterm Strich bleibt nicht mehr, als Polizist_innen die entscheiden können, wann sie filmen und wann nicht, das Material im Nachhinein verwalten (d.h. auch die Möglichkeit es zu löschen und zu manipulieren) und den Zugang zu dem Material verwehren könnten.
Veränderte Praxis im Verwaltungsstrafverfahren
In letzter Zeit schickt das Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten im Verwaltungsstrafverfahren anstelle der üblichen „Strafverfügung“ häufig gleich eine „Aufforderung zur Rechtfertigung“ (zuvor war das der zweite Schritt nach der Strafverfügung).
Diese Praxis ist für uns zwar neu, bringt aber im Grunde nicht viel Neues für den Umgang mit Verwaltungsstrafen. Rechtlich gesehen greift die Behörde neuerdings auf das ordentliche, statt auf das verkürzte Verfahren zurück und beginnt (formell) gleich mit den Ermittlungen (dh es fordert zur Rechtfertigung auf), anstatt zuerst eine Strafverfügung auszustellen, auf die mit Einspruch reagiert werden kann.
Ein paar wichtige Punkte:
– Eine „Aufforderung zur Rechtfertigung“ kann nicht beinsprucht werden. Die sonst übliche Vorgehensweise „Durchstreichen+ Einspruch draufschreiben“ macht hier keinen Sinn.
– Auch Strafminderung kann nicht beantragt werden, da noch keine Strafhöhe bekannt ist.
– Wenn ihr die Frist verpasst oder ihr euch bewusst nicht rechtfertigt geht das Verfahren trotzdem weiter, es können lediglich Verfahrenskosten dazukommen. Ihr bekommt als nächstes Schriftstück ein Straferkenntnis, auf das ihr innerhalb von 4 Wochen mit einer Beschwerde reagieren könnt (hier endet das Verfahren wenn ihr die Frist verstreichen lasst).
– Wir finden es sinnvoll, sich nicht oder nur sehr knapp zu rechtfertigen um nicht der ermittelnden Behörde die Argumentation für eine spätere Verhandlung offen zu legen. Wenn ihr etwas schreiben wollt, überlegt es euch gut und holt euch unbedingt vorher die Akten.
In diesem Abschnitt des Verfahrens werden Strafen unserer Erfahrung nach sehr, sehr selten eingestellt. Da noch ermittelt wird, wird eure Stellungnahme wahrscheinlich den beim Vorfall anwesenden Beamt_innen vorgelegt, die so eine Gelegenheit mehr haben ihre Argumente, die eure Schuld begründen sollen auszubreiten. Auch raten wir nicht, die Vermögensverhältnisse detailiert offen zu legen, wie das Schreiben nahelegt, ihr seid dazu auch nicht verpflichtet.