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Das Staatsschutzgesetz (PStSG)- Infos zum aktuellen Entwurf

Was ist das PStSG?

Das „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“ (PStSG) ist ein Gesetzesentwurf, der die Kompetenzen des Verfassungsschutzes neu und vor allem konkreter regeln soll. Bis jetzt waren diese lediglich im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) festgeschrieben. Das PStSG räumt dem Verfassungsschutz weitreichende Ermittlungsbefugnisse zur „Prävention vonreligiös bzw. weltanschaulich motivierter Gewalt“ ein.

Erstmals gibt es eine gesetzliche Grundlage, die sich ausschließlich auf die Befugnisse des Verfassungsschutzes bezieht.

Im März 2015 präsentierte Innenministerin Mikl-Leitner gemeinsam mit dem Direktor des BVT, Peter Gridling, erstmals die entsprechende Regierungsvorlage. Mittlerweile hat der Entwurf den Ministerrat passiert und wurde dabei in einigen Punkten entschärft. Statt wie geplant schon im Jänner 2016, soll das Gesetz nun am 1. Juni 2016 in Kraft treten.

Was ist der österreichische Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz in der heutigen Form ist 2002 durch die Zusammenlegung mehrerer Behörden (u.a. der Staatspolizei) im Zuge einer Reform unter Innenminister Ernst Strasser entstanden. Seither wurden seine Befugnisse kontinuierlich ausgeweitet.

Die Konzeption des österreichischen Verfassungsschutzes ist im Vergleich zu anderen Staaten einzigartig: In Deutschland steht das sogenannte „Trennungsgebot“ im Verfassungsrang. Damit soll verhindert werden, dass es eine verdeckt agierende Polizeibehörde mit extrem weitreichenden Befugnissen gibt. Deshalb sind geheimdienstliche und sicherheitspolizeiliche Tätigkeiten organisatorisch strikt voneinander getrennt. Der Verfassungsschutz in Österreich hat jedoch sowohl polizeiliche Befugnisse wie die Anwendung von Zwangsgewalt, als auch die Befugnisse eines Inlandsgeheimdienstes, das heißt dass Vorfeldermittlungen zulässig sind.

Der Rechtsschutzbeauftragte

Für die Ermittlungen braucht es im Gegensatz zu kriminalpolizeilichen Ermittlungen keinen richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Beschluss, sondern lediglich eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten. Der Rechtsschutzbeauftrage ist Teil des Innenministeriums und untersteht daher derselben Behörde wie der Verfassungsschutz. Infolgedessen fällt jede, zumindest in der Theorie, unabhängige Kontrollinstanz weg. Außerdem erfolgt die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten pauschal für alle Überwachungsmöglichkeiten, die nach dem PStSG möglich wären, für maximal 6 Monate.

Der Rechtschutzbeauftragte ist über die Ermittlungen der Landes- und Bundesämter zu informieren. Diese Informationspflicht entfällt jedoch, wenn die Sicherheit von Zeug_innen bei Bekanntwerden ihrer persönlichen Daten gefährdet wäre.

Im ersten Entwurf konnte die Informationspflicht gegenüber dem RSB noch leichter ausgehebelt werden: Dem Rechtsschutzbeauftragten konnte die Auskunft verwehrt werden, wenn die nationale bzw. die Sicherheit von Menschen dadurch gefährdet werden könnte. Der Verfassungsschutz hätte so eigenmächtig entscheiden können, welche Informationen der als Kontrollinstanz vorgesehenen Stelle vorenthalten worden wären. Dies hätte den ohnehin schon gering ausgeprägten Rechtsschutz gefährdet.

Was bedeutet „Erweiterte Gefahrenerforschung“?

Die zentrale Kompetenz des BVT/der Landesämter ist die Erweiterte Gefahrenerforschung, die im Jahr 2000 eingeführt wurde. Das bedeutet, dass die genannten Behörden befugt sind, zu ermitteln bevor ein konkreter Tatverdacht vorliegt. In Bezug auf Gruppen wurde die alte Rechtslage übernommen: Wenn der Verfassungsschutz den Verdacht hat, dass in Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder die zu erwartenden Entwicklungen im Umfeld damit zu rechnen ist, dass es zu „mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität“ kommt, darf die erweiterte Gefahrenerforschung zur Anwendung kommen. Hervorgehoben wird dabei insbesondere „weltanschauliche oder religiös motivierte Gewalt“.

Bei Einzelpersonen kam es zu folgender Änderung: Die genannten Behörden sind befugt zu ermitteln, sofern aus ihrer Perspektive ein begründeter Verdacht auf einen „verfassungsgefährdenden Angriff“ in der Zukunft besteht.

Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf gelten unter anderem folgende Delikte als „verfassungsgefährdend“:

  • Landfriedensbruch (§ 274 StGB), aber nur bei führender Teilnahme („Rädelsführerschaft“) und „religiöser bzw. weltanschaulicher Motivation“
  • Beteiligung oder Gründung und Finanzierung einer terroristischen Vereinigung (§278b/d)
  • die Ausbildung zu terroristischen Zwecken (§278e)
  • Mord, Körperverletzung, schwere Nötigung, gefährliche Drohung, wenn dieseTatbestände „religiös oder weltanschaulich motiviert“ sind(§278c).Das gleiche gilt für schwere Sachbeschädigung, sofern dadurch eine „Gefahr für das Leben anderer oder fremdes Eigentum in großem Ausmaß“ entstehen kann.
  • die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§278f)
  • einige Delikte aus dem Verbotsgesetz

  • Aufstellung einer bewaffneten Verbindung/Bewaffnung einer bestehendenVerbindung(§279 StGB)

  • Ansammlung von Kampfmitteln (§280 StGB)

  • Verhetzung (§283 StGB)

  • Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen bzw. deren Gutheißung (§282 StGB)

Insgesamt umfasst die Liste etwa 100 Tatbestände, die zu Ermittlungsmaßnahmen nach dem PStSG ermächtigen, sobald nur der Verdacht vorliegt, eine Person könnte sie in Zukunft begehen.

In der ersten Fassung des Entwurfes zum PStSG galten noch mehr Vorwürfe, die üblicherweise gegen linke Gegendemonstrant_innen erhoben werden, wie Störung bzw. Sprengung einer Versammlung als „verfassungsgefährdend“.

Nach einer Überarbeitung der Regierungsvorlage wurden diese jedoch gestrichen. Vormals wäre es möglich gewesen, schon im Vorfeld weitreichend zu ermitteln, wenn der Verfassungsschutz die Störung einer Versammlung in der Zukunft für wahrscheinlich gehalten hätte — ein Verdacht der leicht zu konstruieren gewesen wäre. Aufrufe zur Verhinderung von rechten Demos hätten bereits als Grundlage für einen solchen Verdacht dienen können.

Auch wenn damit eine besonders problematische Bestimmung im neuen Entwurf entfällt, bleibt die Tatsache, dass bei einem bloßen Verdacht auf ein riesiges Repertoire an Überwachungsmaßnahmen zurückgegriffen werden kann, bestehen.

Welche Überwachungsmaßnahmen können nach dem PStSG eingeleitet werden?

In einem solchen Fall kann der Verfassungsschutz durch Observation, verdeckte Ermittlung, Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (unter Umständen auch verdeckt), Einholung von Auskünften von Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste (Standortdaten, IP-Adressen und Kontaktdaten) oder Beförderungsunternehmen personenbezogene Daten (z.B. Reisedaten) über eine Einzelperson bzw. eine Gruppe ermitteln.

Solche Daten können auch über Kontakt- und Begleitpersonen erhoben werden, sofern der Verfassungsschutz eine „nicht bloß zufällige“ Verbindung zwischen den Personen sieht. Somit besteht quasi eine Ermächtigung, das ganze Umfeld einer Person, gegen die selbst nur ein vager Verdacht besteht, zu überwachen.

Zur verdeckten Ermittlung können Kriminalbeamt_innen wie auch Privatpersonen, sogenannte Vertrauenspersonen, eingesetzt werden, wenn “die erweiterte Gefahrenerforschung durch den Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre“. Über die Informant_innen wird bei der Polizei eine Datenbank geführt.

Eine Rasterfahndung, also der automatisierte elektronische Datenabgleich, wird im Entwurf explizit ausgeschlossen. Jedoch können Informationen, insbesondere aus dem Internet bezogen werden, wenn dafür keine über die Erstellung eines eigenen Accounts hinausgehenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind. Das Gesetz macht also deutlich, dass Daten aus sozialen Netzwerken im Fokus der Ermittler_innen stehen und sie sich dafür auch einen eigenen Account erstellen dürfen.

Im ursprünglichen Entwurf war auch schon beim Vorliegen eines bloßen

Gefahrenverdachtes“ der automatisierte Datenabgleich im Internet möglich. Dies ist laut der neuen Fassung nur bei einem „konkreten Tatverdacht“ zulässig.

Personenbezogene Daten“ sind z.B. Namen, Aliasnamen, Geburtsdatum, Geburtsort, erkennungsdienstliche Daten (also Fingerabdrücke, Foto – nicht bei Begleit- und Kontaktpersonen), Beruf oder die Lebensverhältnisse einer Person.

Wie lange werden die Daten gespeichert?

Nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erteilt wurde sind die ermittelten Daten von der Behörde zu löschen, sofern kein Anlass für weitere Ermittlungen besteht. Wenn zu erwarten ist, dass es erneut Anlass zu einer erweiterten Gefahrenerforschung geben wird (insbesondere „Aktivitäten im Ausland“) kann die Löschung unterbleiben, spätestens müssen die Daten aber nach 6 Jahren gelöscht werden. Ob dieser Pflicht Folge geleistet wird bleibt jedoch fraglich. Nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung erteilt wurde, ist die betroffene Person über die Ermittlung zu informieren. Da Betroffen in der Regel nichts von den Ermittlungen erfahren sollen scheint es unwahrscheinlich, dass diese Informationspflicht eingehalten wird.

Gibt es Möglichkeiten juristisch gegen die Überwachung vorzugehen?

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit sich über Ermittlungsmaßnahmen zu beschweren – wie bereits erwähnt ist es jedoch unwahrscheinlich, dass man als betroffene Person überhaupt von der Überwachung erfährt.

Außerdem gilt in Österreich kein Beweisverwertungsverbot, das bedeutet, dass grundsätzlich auch rechtswidrig beschaffte Daten in Gerichtsverfahren verwendet werden dürfen.

Was sind Körperkameras?

Im Zuge der Reform wurde auch eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Körperkameras geschaffen. Polizist_innen würden demnach Kameras an der Uniform tragen, die sie selbst nach Ankündigung einschalten dürfen. Es kann auch Ton aufgezeichnet werden. Damit sollen die Geschehnisse, die sich im Zuge einer Amtshandlung ereignen, dokumentiert werden. Das Material darf nach dem Entwurf jedoch nur zur Verfolgung dieser strafbaren Handlungen verwendet werden. Das erhobene Videomaterial ist verschlüsselt aufzubewahren und Zugriffe darauf sind zu protokollieren.

Immer wieder wird der Schutz vor Polizeigewalt als Argument für die Einführung von Körperkameras vorgebracht. Da die amtshandelnden Beamt_innen selbst entscheiden, wann sie die Kameras einschalten und auch das Material von ihnen aufbewahrt wird, ist es fraglich, ob dieses jemals als Beweismittel in Verfahren gegen Polizist_innen verwendet werden wird. Insofern gehen wir davon aus, dass Körperkameras eine zusätzliche Überwachungsmöglichkeit darstellen, statt einem wirksamen Schutz vor polizeilichen Übergriffen.

Wie kann man sich sonst schützen?

Letztlich ist das PStSG ein klares Bekenntnis zu mehr Überwachung und mehr Repression. Geheimdienstliche Tätigkeiten sind per se schwer zu kontrollieren. Auch ob der Entwurf schon bestehende Praxen kodifiziert, ist schwer zu überprüfen. Die Möglichkeiten juristisch gegen Überwachungsmaßnahmen vorzugehen sind sehr begrenzt. Um sich vor staatlicher Repression zu schützen bleiben bewährte Mittel: Verschlüsselung von E-Mails und Festplatten, ein vorsichtiger Umgang mit Handys und sozialen Netzwerken sowie konsequente Aussageverweigerung.

Sektorales Bettelverbot in Salzburg

Trotz Protestes wurde am 20.05.2015 in Salzburg Stadt ein sektoriales Bettelverbot auch für sogenanntes „stilles Betteln“ erlassen. Seit 2. Juni 2015 ist es in Kraft und betteln ist untertags in vielen Teilen der Innenstadt verboten.

Hier ein Text aus Salzburg dazu:

 

Sektorales Bettelverbot?

Die aktuelle Fassung des Bettelverbots im Land Salzburg stellt „aggressives Betteln“, „Betteln mit Kindern“ und „organisiertes Betteln“ unter Strafe (ohnedies großteils strafrechtlich geahndet) und verankerte ein Verordnungsrecht für Gemeinden. Per Verordnung können Gemeinden auch „stilles Betteln“ an bestimmten Orten untersagen, wenn „zu befürchten ist, dass die Benützung des öffentlichen Ortes durch andere erschwert wird (…) oder sonst ein Missstand“ zu erwarten ist. Darauf stürzen sich Law-and-Order-Politiker*innen aller Couleur und es begann eine mediale Hetzkampagne.

 

Die (sozial-)politischen Forderungen von NGOs und Arbeitsgruppen nach Anlaufstellen für Not-Reisende sowie dem Ausbau von Notschlafstellen werden nach wie vor ignoriert. Daher sind viele Betroffene auf das Übernachten im Freien angewiesen. Zugleich schockiert die Sichtbarkeit von Armut viele Menschen. Sie suchen Anlaufstellen, aber es gibt keine. Daher wenden sie sich an die Polizei und das Thema wird ordnungspolitisch verhandelt. Aus dem Mangel an sozialpolitischen Maßnahmen entsteht also eine Situation, die später von denen, die sie aufrecht erhalten als unerträglicher Missstand beschrieben wird, welcher nur durch sektorale Verbote begegnet werden könne. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) stellte jedoch mit Erkenntnis vom 30. Juni 2012 (G155/10) klar, dass „stilles Betteln“ vom Schutzumfang des Art. 10 der Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Kommunikationsfreiheit, erfasst ist. Darunter fallen das Recht der Freiheit der Meinung und deren Äußerung. Es ist legitim auf die eigene auswegslos erscheinende Lebenslage und Armut hinzuweisen und an die Solidarität der Mitmenschen zu appellieren. Stilles Betteln ist ein verfassungsgesetzlich geschütztes Menschenrecht.

 

Auch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen Bestimmungen, die ohne sachliche Rechtfertigung bestimmte Menschen davon ausschließen, „öffentliche Orte wie andere zu ihrem selbstgewählten Zweck zu nutzen“. Des Verfassungsgerichtshof hat klargestellt, dass die Anwesenheit von Bettelnden keine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Eine solche Störung liegt erst vor, wenn die Benützung des öffentlichen Orts extrem erschwert wird.

Ein Beschluss eines sektoralen Bettelverbots verstieße somit gegen Verfassungsrecht und wird ebenso wie das Vorgängermodell behoben werden. Der Landesgesetzgeber hat sich in Teilen fast wörtlich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtes gestützt, aber dabei den Sinn der Entscheidung außer Acht gelassen. Wird per Gemeindeverordnung pauschal ein Gebiet als Bettelverbotszone ausgewiesen, dann liefe das auf eine Beschränkung des Menschenrechts auf Kommunikationsfreiheit hinaus. Ein solcher Eingriff in die Kommunikationsfreiheit muss gesetzlich vorgesehen, verhältnismäßig und notwendig sein. D.h. dieses Recht kann nur beschränkt werden, wenn dies „in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, (…) der Aufrechterhaltung der Ordnung (…) unentbehrlich“ ist. Eine solche notwendige Maßnahme müsste zudem verhältnismäßig sein, also der kleinstmögliche Eingriff in das Menschenrecht zur Erreichung eines der „legitimen“ Ziele sein. Stilles Betteln ist laut Verfassungsgerichtshof keine Störung der öffentlichen Ordnung. Erst wenn die Benützung des öffentlichen Raumes richtiggehend erschwert wird, ist ein Verbot legitim. 150 Menschen vermögen nicht die Benützung der Innenstadt wesentlich zu erschweren. Wären es 150 zahlende Tourist*innen mehr, würde kein Missstand ausgerufen. Ein sektorales Bettelverbot ist demnach auch unsachlich und gleichheitswidrig.

 

Trotz besseren Wissens wird der Gemeinderat die Verordnung erlassen. Irgendwer wird dagegen eine Individualbeschwerde einbringen und Jahre später wird der Verfassungsgerichtshof auch diese Verordnung beheben und § 29 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 Landessicherheitsgesetz werden novelliert, das wissen auch die gesetzgebenden Politiker*innen sehr genau. Da wird gemeinsam auf die sichtbar Schwächsten getreten und werden rassistische Ressentiments bedient. Die Abstiegsängste der Kapitalismusverlierer*innen werden auf den vermeintlich gemeinsamen Feind projiziert. Vor dem Hintergrund von wachsender Fremdenfeindlichkeit und rassistischer Gewalt ein bedrohliches Szenario.

 

Kämpfen wir daher gemeinsam gegen physische und strukturelle rechte Gewalt und für unser Recht auf Freiheit im öffentlichen Raum: die Freiheit draußen zu schlafen, im Zelt oder ohne, das Recht auf Basisversorgung in Notlagen und Solidarität!

In der nächste Gemeinderatssitzung, einer öffentlichen Sitzung am Mittwoch, dem 20.05.2015 ab 09:00, soll ein sektorales Bettelverbot verankert werden. Wir sind dagegen und wir haben Recht!

„Vorbeugung“ und „Deeskalation“: Körperkameras als Repressionsmaßnahme

Kürzlich berichtete die Tageszeitung „Die Presse“ erstmals über geplante „Pilotversuche“ zum Einsatz von Körperkameras an Polizist_innen in Wien und zwei noch nicht näher konkretisierten Bundesländern. Innenministerin Mikl-Leitner kündigte bereits im Juni 2014 an, die rechtliche Zulässigkeit von „Body-Cams“ prüfen zu lassen. Mittlerweile sind die Körperkameras auch im Entwurf des reformierten Sicherheitspolizeigesetz (SPG) vorgesehen. Die Novelle ist Teil der geplanten Staatsschutzreform und im Kontext der großangelegten Erweiterung von sicherheitspolizeilichen Befugnissen zu sehen. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass die Körperkameras in näherer Zeit Teil der Polizeiarbeit sein werden. Aufgezeichnet werden nicht nur Bilder sondern auch Ton.

Seit den Protesten gegen den Akademiker-Ball 2014 filmt die Polizei immer häufiger Demonstrationen. Bisher waren auf Demos oft Kamerawagen oder Beamt_innen mit Kameras im Einsatz. Erfahrungen zeigen, dass für die Polizei belastendes bzw. für Beschuldigte entlastendes Material oft ungern herausgerückt wird. In einem Prozess vor einigen Monaten war die relevante, den Polizisten belastende Sequenz sogar herausgeschnitten worden, wie man am Zeitstempel der Videoaufnahmen sehen konnte. Die mehrstündigen Videoaufnahmen zeigten primär Gesichter von Demonstrant_innen in Nahaufnahme, kein Wunder also, dass das Videomaterial erst nach mehrmaligem Nachhaken der Richterin herausgegeben wurde, da die Aufnahmen nicht den Einsatz an sich, sondern nur die Identität der Anwesenden dokumentierte.

Die Körperkameras sollen laut geplantem Gesetz nicht permanent eingeschaltet sein, sondern nur dann von den Beamt_innen aktiviert werden, wenn es zu einer Amtshandlung kommt. Das bedeutet, dass die Cops selbst entscheiden können, wann sie mitfilmen und wann nicht. Die Hoffnung, dass Übergriffe seitens der Polizei durch die Kameras dokumentiert würden, wird sich deshalb höchstwahrscheinlich nicht erfüllen. Auch stellt sich die Frage inwiefern Schläge und ähnliche gewalttätige Handlungen der Cops im Hinblick auf die Qualität der Aufnahme überhaupt zu erkennen wären. Grundsätzlich hätten die Polizist_innen im Gegenzug aber die Möglichkeit, alle möglichen Situationen mitzufilmen. Da in Österreich kein Beweisverwertungsverbot besteht, können auch rechtswidrig erlangte Beweise in Gerichtsverfahren verwendet werden. Vieles ist noch nicht klar, etwa ob es sichtbar sein wird ob die Kamera eingeschaltet ist oder ob bzw. welche Konsequenzen es haben wird wenn sie nicht aktiviert war. Dem Entwurf zur Folge sollen die Aufgezeichneten über den Einsatz der Kameras informiert werden, außer der Einsatz ist „zweifelsfrei erkennbar“.

Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Körperkameras eine Erweiterung der Überwachung darstellen statt einen wirksamen Schutz vor Übergriffen. Während das offene Tragen von Dienstnummern abgelehnt wird, da es zu „Denunzierungen“ der Beamt_innen führen würde, sollen Cops zu laufenden Kameras werden. Auch sagt das Innenministerium offen, dass die Körperkameras der Prävention und Abschreckung von Personen v.a. bei Demonstrationen dienen sollen. Allein das Androhen von Überwachung ist eine repressive Maßnahme, die leider durchaus funktioniert und zu einer ständigen Selbstkontrolle führen kann. Unterm Strich bleibt nicht mehr, als Polizist_innen die entscheiden können, wann sie filmen und wann nicht, das Material im Nachhinein verwalten (d.h. auch die Möglichkeit es zu löschen und zu manipulieren) und den Zugang zu dem Material verwehren könnten.