Wenn Du von unseren Treffen und Veranstaltungen erfahren und Infos von linken Gruppen, aber auch aus „mainstream“-Medien über staatliche Repression, Strategien der Antirepressionsarbeit, Gesetzesänderungen, die für Aktivismus relevant sind wie Erweiterungen der Polizeibefugnisse, Überwachung etc. bekommen willst, kannst Du Dich hier eintragen:
https://lists.riseup.net/www/subscribe/rechtsinfokollektiv
Archiv der Kategorie: Texte vom Rechtsinfokollektiv
Texte, die wir als Rechtsinfokollektiv geschrieben haben
WKR-Demo: Erste Verwaltungsstrafen eingetroffen!
Eine kurze Info für jene, die von der Polizei wegen Verwaltungsübertretungen aufgeschrieben worden sind (Achtung, bei strafrechtlichen Vorwürfen wie zB Widerstand gegen die Staatsgewalt gilt das Folgende nicht! Fragen dazu müssen im Einzelfall abgeklärt werden).
Auch dieses Jahr wurden wieder zahlreiche Teilnehmer_innen der Proteste gegen den WKR-Ball wegen angeblicher Verwaltungsübertretungen aufgeschrieben. Die erste Welle der Verwaltungsstrafen ist schon ausgeschickt worden. Wir werden in nächster Zeit ein Treffen machen, wollen euch aber trotzdem schon mal einige Infos geben:
1. Verwaltungsstrafen werden mit RSa-Brief zugestellt, dh. der Brief wird an euch persönlich übergeben. Wenn ihr nicht zu Hause seid, wird der Brief am Postamt hinterlegt, und ihr findet einen gelben Zettel (=Hinterlegungsanzeige) im Briefkasten. Achtung: Bitte schaut regelmäßig in euren Briefkasten und holt eure Post ab ! Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen ab Zustellung – das heißt entweder ab dem Moment, in dem ihr an der Haustür den Brief in die Hand gedrückt bekommt, oder ab dem ersten Tag der Abholfrist bei der Post, wenn ihr nicht zu Hause wart (nicht erst ab dem Moment, wenn ihr den Brief bei der Post abholt)!
2. Höchstwahrscheinlich bekommt ihr zuerst eine Strafverfügung zugestellt (steht groß drauf). Dies bedeutet, dass die Behörde ohne weitere Ermittlungen eine Strafe gegen euch erlassen hat. Gegen diese könnt ihr sehr einfach Einspruch erheben: Strafverfügung kopieren, den ganzen Zettel durchstreichen, groß „EINSPRUCH“ draufschreiben, Datum und unterschreiben und wieder retour an die Behörde schicken (per Fax oder per Einschreiben, Bestätigung aufheben – nicht per Mail, weil ihr sonst keine Empfangsbestäigung habt!). Eine Begründung des Einspruchs ist nicht notwendig, dafür habt ihr später im Verfahren noch Zeit. Dafür hast du 2 Wochen ab Zustellung (siehe oben) Zeit. Durch den Einspruch tritt die Strafverfügung außer Kraft, ein richtiges Verfahren beginnt – die Behörde wird euch also auffordern, euch zu rechtfertigen. Außerdem solltet ihr Akteneinsicht nehmen – Infos dazu geben wir euch gerne per Mail
Ganz grundsätzlich gilt: Gibt euch die Behörde Recht oder stellt das Verfahren ein, müsst ihr gar nichts zahlen. Wird euer Einspruch abgewiesen und ein Straferkenntnis erlassen (siehe unten), darf die Behörde die Strafe nicht erhöhen, sondern nur 10% Verfahrenskosten draufgeschlagen. Die Strafe an sich wird im ganzen Verfahren niemals höher, es kommen maximal Verfahrenskosten dazu!
Auch wenn der Einspruch abgewiesen wird, ist das nicht die letzte Möglichkeit etwas dagegen zu unternehmen, gegen die Straferkenntnis kann Berufung eingelegt werden. Genaueres dazu erfahrt ihr auf Nachbereitungstreffen bzw. auf der Homepage unter dem Punkt „Nach der Demo“. Falls ihr zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens eine „Ladung“ zugeschickt bekommt, heißt dass nicht dass ihr dieser unbedingt folgen müsst, es sei denn irgendwo im Text werden euch „Zwangsmittel“ angedroht.
Twitter Account!
Der Twitter- Account Rechtsinfokollektiv – @riko_antirep wird im Moment von einer Person benutzt, die nicht Teil der Gruppe ist. Wir können für die Inhalte nicht garantieren.
Maßnahmenbeschwerde: Personenkontrollen im Audimax rechtswidrig
Geschrieben von Stefan H.
Wir freuen uns berichten zu können, dass wir unsere Maßnahmenbeschwerde wegen einer Identitätskontrolle durch die Wiener Polizei bei der Audimaxräumung im April 2012 gewonnen haben! Die Entscheidung des UVS-Wien ist richtungweisend, da von den Kontrollen und Verwaltungsstrafen rund 200 Aktivist_innen betroffen waren!
Worum gings?
Hintergrund waren die Uni-Proteste gegen die Abschaffung des Bachelorstudiums der Internationalen Entwicklung. Am 19. April 2012 ist es um und in der Universität Wien zu zahlreichen spontanen Demos gekommen. Am späteren Nachmittag zog eine dieser Demos ins Audimax der Uni ein und „besetze“ diesen Hörsaal. Auf das Wort Besetzung sei hier besonders hingewiesen. Denn die nachfolgende Repression und Verfahren beschäftigen sich mit der Frage, ob eine Besetzung nicht nur im sprachlichen Gebrauch, sondern auch im rechtlichen Sinn vorlag.
Die Polizei riegelte in den Abendstunden die Universität und das Audimax komplett ab. Aktivist_innen berichteten über zahlreiche Schikanen durch die Polizei. Siehe dazu den ausführlichen Bericht der Rechtshilfe Wien. Die Polizei löste durch den Referatsleiter für Extremismus vom LVT-Wien als Behördenleiter die „Besetzung“ durch eine akustisch kaum verständliche Durchsage auf. Die Polizei riegelte gleichzeitig sofort das Audimax bei allen Ein- und Ausgängen mit Einsatzkräften ab und lies niemanden mehr ohne Ausweiskontrolle aus dem Hörsaal. Ein Großteil der Aktivist_innen wurde auch von der Polizei gefilmt. Anfang Juli verschickte die Polizei Strafverfügungen mit € 100,- Verwaltungsstrafen wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ aus.
Maßnahmenbeschwerde beim UVS-Wien
Wir vom Rechtsinfokollektiv haben nach den Vorfällen mehrere Nachbereitungstreffen mit den Betroffenen gehabt und mit einer Betroffenen zusammen eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Aktionen der Polizei eingebracht. Am 19.11.2012 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien die Verhandlung statt.
Entscheidende Frage war, ob die Aktivist_innen im Audimax rechtlich als Besetzung oder als Versammlung anzusehen war. Dieser Punkt ist entscheidend, da eine Versammlung mehr Schutz als eine Besetzung genießt und auch verfassungs- und menschenrechtlich geschützt ist.
Der UVS-Wien folgte der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass eine Versammlung und keine Besetzung vorlag. Eine Versammlung wird nämlich nicht deshalb sofort zu einer Besetzung nur, weil die Demo in einem Raum zur Ruhe kommt. Das Versammlungsrecht schützt außerdem auch den kollektiven Austausch von Meinungen. Dass sich die Demo selbst als Besetzung bezeichnete ist irrelevant. Die Personenkontrollen durch die Polizei waren daher rechtswidrig, da die Verwaltungsübertretungen (wegen „Störung öffentlicher Ordnung“) durch die Ausübung des Rechts auf Versammlungsfreiheit gerechtfertigt waren. Die Auflösung, sowie Verwaltungsstrafen wären nur im Rahmen des Versammlungsgesetzes erlaubt gewesen, dies ist aber nicht passiert.
Verwaltungsstrafen
Für jene betroffenen Aktivist_innen deren Verwaltungsstrafverfahren noch nicht beendet ist, bedeutet dies, dass eine Berufung sehr große Chancen auf Erfolg hat. Sie können sich auf den Bescheid des UVS-Wien mit der Geschäftszahl: UVS-02/40/6907/2012 berufen, dass keine Verwaltungsübertretung vorlag.
Jene deren Verfahren bereits beendet ist, weil sie die Frist verpasst haben oder keine Rechtsmittel eingelegt haben, kommt diese Entscheidung leider zu spät. Die Polizei Wien hat dutzende, vielleicht über hundert Strafen eingehoben, obwohl gar keine Verwaltungsübertretung vorlag und sie selbst rechtswidrig vorging! Eine nachträgliche Bekämpfung ist ärgerliche Weise für Betroffene rechtlich nicht mehr möglich!
Hier auch unsere Presseaussendung dazu:
Vorgangsweise der Polizei bei der Demonstration im Audimax war rechtswidrig UVS gibt Maßnahmenbeschwerde von Student_innen recht
Heute gewann eine Gruppe Studierender ihre Maßnahmenbeschwerde gegen die rechtswidrige Vorgangsweise der Polizei bei einer Demonstration im Audimax. Im Zuge der Aktionen gegen die Abschaffung des Bachelorstudiums Internationale Entwicklung im April 2012 mussten ca. 200 Aktivist_innen ihre Daten bekannt geben, nachdem diese bis zu eineinhalb Stunden im Hörsaal festgehalten worden waren. Rechtswidrig, wie der Unabhängige Verwaltungssenat heute feststellte. Um den verfassungsrechtlichen Schutz zu umgehen, der Versammlungen zusteht, hatte die Polizei die Versammlung fälschlicherweise als Besetzung qualifiziert. Auch die Studierenden, die aufgrund dieser Vorfälle eine Verwaltungsstrafe wegen Störung öffentlicher Ordnung bekommen haben, haben nach dieser richtungsweisenden Entscheidung gute Chancen, im Berufungsverfahren zu obsiegen. „Mit dieser Entscheidung wird wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, Repression durch die Polizei nicht einfach hinzunehmen.“ so der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, „Es lohnt sich, beim Vorgehen der Polizei genauer hinzusehen, sich zu vernetzen und mit rechtlichen Mitteln Widerstand zu leisten.“
Siehe auch:
standard.at: Vorgehen der Polizei bei Audimax-Räumung „rechtswidrig“
vienna.at: Vorgangsweise der Polizei bei Audimax-Demonstration rechtswidrig
Wie schütze ich mich vor versäumten Fristen?
Geschrieben von Stefan H.
Im letzten Halbjahr sind vor allem bei den Studierendenprotesten von #unibrennt und „IE bleibt“ mehrere hundert Aktivist_innen von der Polizei aufgeschrieben worden. In den meisten Fällen ist es unserer Information zu Folge noch unklar, ob auf diese Identitätsfeststellungen Verfahren und Strafen folgen. Da der Sommer kurz vor der Türe steht und viele Menschen in dieser Zeit nicht an ihrem üblichen Wohnort sind, besteht besonders im Sommer die Gefahr Fristen zu versäumen und Verfahren so ungewollt zu beenden.
Wenn du ein laufendes Verfahren hast, du einmal kontrolliert wurdest oder im Ungewissen über das weitere Vorgehen der Polizei bist, solltest du dich daher vor versäumten Fristen schützen. Wir wollen dich daher mit diesem Text grundlegend über Fristen informieren und Möglichkeiten aufzeigen das Versäumnis von Fristen zu verhindern.
2 Wochen Frist
Im Verwaltungsstrafverfahren ist die gängige Dauer von Rechtsmittelfristen zwei Wochen ab Zustellung. Sowohl bei Strafverfügungen als auch bei Straferkenntnissen (=Bescheid) ist die Frist um die Strafe rechtlich zu bekämpfen zwei Wochen. Wenn du also Geldstrafen z.b. wegen „Störung der öffentlichen Ordnung (Sicherheitspolizeigesetz), Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung oder Anstandsverletzung oder Lärmbelästigung (Wiener Sicherheitsgesetz) bekommst, sind derartige Fristen für dich relevant.
Die Frist beginnt mit dem Tag nach der Zustellung zu laufen. Entweder also einen Tag nachdem dir der_die Briefträger_in den Brief persönlich übergeben hat oder einen Tag nachdem der gelbe Zettel über die Hinterlegung bei dir ins Postkasterl geworfen wurde. Nicht relevant für den Beginn der Frist ist wann du den gelben Zettel abholst!
Abwesenheitsmitteilung
Die einfachste Möglichkeit dich vor versäumten Fristen zu schützen, ist es bei Abwesenheit einfach bei deiner Postfiliale eine Abwesenheitsmitteilung zu machen. Diese Mitteilung verhindert, dass rechtlich eine Zustellung möglich ist! Sie ist gratis und durch ein Ausfüllen eines Formulars bei der Postfiliale auch ganz einfach und schnell möglich. Beachte aber, dass eine Abwesenheitsmitteilung erst 2-3 Tage nachdem du sie gemacht hast, wirksam wird! Wir empfehlen auch eine Bestätigung/Kopie über die Abwesenheitsmitteilung zu verlangen und gut aufzuheben.
Eigentlich sollte Post mit Zustellbestätigung/Hinterlegung von der Post wegen deiner Abwesenheitsmitteilung automatisch zurück geschickt werden. In der Praxis wird aber ärgerlicher Weise immer wieder trotzdem Post von der Polizei zugestellt. Sobald du wieder zurück bist und trotz Abwesenheitsmitteilung Post von der Polizei hast, solltest du daher aktiv werden. Wir empfehlen, dass du der Behörde mitteilst, dass du während der Zustellung nicht an deiner Adresse warst und eine Abwesenheitsmitteilung gemacht hast! Aus Dokumentationsgründen solltest du dies schriftlich per eingeschriebenen Brief oder Fax mit einer Kopie von der Abwesenheitsmitteilung machen. Eine Zustellung ist erst am Tag, nachdem du zurück gekommen bist, möglich. Ab diesem Tag können auch mögliche Fristen zu laufen beginnen. Wir empfehlen daher, nicht auf eine Antwort der Polizei oder Behörde zu warten, sondern selbst aktiv zu werden und ein mögliches Rechtsmittel zu ergreifen.
versäumte Frist ohne Abwesenheitsmitteilung
Solltest du keine Abwesenheitsmitteilung gemacht haben und eine Frist versäumt haben, gibt es ausnahmsweise noch eine Möglichkeit die versäumte Frist zu retten. Du musst tatsächlich während der Hinterlegung und gesamten Frist nicht an deiner Adresse gewesen sein. Einzig in diesem Fall gilt die Zustellung erst am Tag nachdem du zurück gekommen bist. Der Unterschied zur Abwesenheitsmitteilung ist, dass du hier in der Praxis irgendwie belegen musst (Zugtickets, Zeug_innen, Rechnungen etc), dass du tatsächlich den ganzen Zeitraum nicht da warst. Dies solltest du auch zusammen mit dem Rechtsmittel schriftlich der Behörde mitteilen und möglichst gut beweisen.
Adressänderung
Solltest du umziehen und zu diesem Zeitpunkt schon von einem laufenden Verfahren gegen dich wissen, solltest du der Behörde diese Adressänderung bekannt geben. Das Zustellgesetz verpflichtet dich nämlich bei laufenden Verfahren Adressänderungen der Behörde bekannt zu geben. Machst du das nicht, kann die Behörde an die alte Adresse weiterhin gültig zustellen, obwohl du dort nicht mehr wohnst und deine Post kontrollierst. Verpasst du dadurch Rechtsmittelfristen, ist das Verfahren ungewollt beendet.
Bei Unklarheiten und Fragen wende ich am besten an Antirepressionsstrukturen. Über das Verwaltungsstrafverfahren kannst du dich auch bei unseren Rechtsinfos informieren.
Wir wünschen einen schönen Sommer und unversäumte Fristen 😉