Verfassungsschutz speichert wahrscheinlich Daten von NoPegida Demonstrant*innen

Edis und Datenauskunftsbegehren

Am 2.2.2015 demonstrierten mehrere hundert Antifaschist*innen gegen den ersten “Spaziergang” des Wiener Ablegers von Pegida, der in weiterer Folge auch nicht wie geplant stattfinden konnte. Im Anschluss daran wurde ein Großteil der Gegendemonstration, inklusive Pressevertreter*innen eingekesselt und ihre Identität festgestellt. Was den Betroffenen vorgeworfen wurde, war einige Zeit lang nicht ganz klar, da zunächst “Störung einer Versammlung” (§ 285 StGB) im Raum stand, Behördenvertreter*innen in späteren Interviews aber wieder zurückruderten, und von “Störung der öffentlichen Ordnung” (einer Verwaltungsübertretung) sprachen. Bisher sind uns jedenfalls keine Verfahren wegen “Störung einer Versammlung” in diesem Kontext bekannt, auch sonst hielt sich die uns bekannte Repression in Grenzen.


Seit Kurzem wissen wir allerdings, dass zumindest in einem Fall der Verfassungsschutz die Daten einer teilnehmenden Person in der EDIS-Datenbank  speichert. Die betroffene Person hat diese Information aus der Beantwortung eines zuvor gestellten Datenauskunftsbegehrens. Es ist anzunehmen, dass viele oder alle, die damals eingekesselt waren, auch in dieser Datenbank stehen. In diesem Text wollen wir zunächst das spärliche Wissen über die EDIS-Datenbank teilen, und andererseits mögliche juristische Schritte sowie deren Pro und Contra diskutieren.
Voranstellen wollen wir den Überlegungen, dass es nichts Neues und nichts Ungewöhnliches ist, dass der Verfassungsschutz Daten sammelt, speichert und verarbeitet. Sollte der Verfassungsschutz die Daten von 200 Personen allein wegen ihrer Anwesenheit auf einer Demonstration in einer Datenbank speichern, tut er genau das, was ihm die Gesetze – allen voran das neue Polizeiliche Staatsschutzgesetz – erlauben. Die Beamt*innen ermitteln weit im Vorfeld einer eigentlichen Straftat, observieren, holen Auskünfte ein, sammeln Daten und all das unter weitgehender Geheimhaltung. Der Arbeit des Verfassungsschutzes liegt eine Differenzierung zwischen einer politisch „unschuldigen“ Mitte und „extremistischen“ Rändern der Gesellschaft zugrunde. Diese „Extremismen“ werden im Normalfall von ihm als „linksextrem“, „rechtsextrem“, sowie „islamistisch“ kategorisiert und auf problematische Weise gleichgesetzt. Auffallend dabei ist trotzdem die viel stärker ausfallende Repression gegen linke Aktivist_innen in der Vergangenheit.

Was ist EDIS?

Das “Elektronische Dateninformationssystem” (EDIS) des österreichischen Verfassungsschutzes (BVT) ist eine Zusammenfassung von mehreren Datensätzen. Es handelt sich dabei um sicherheitspolizeiliche Eintragungen wie z.B. Anzeigen oder laufende oder ehemalige Strafverfahren, aber auch um geheimdienstliche Daten, die im Rahmen einer erweiterten Gefahrenerforschung oder aus präventiven Staatsschutzgründen über dich gesammelt worden sind. Im EDIS finden sich zusätzlich dazu Eintragungen zu “Extremismus” und “Terrorismus”. Da das Gesetz derartige Termini zur Datenspeicherung nicht kennt, bedient sich der Verfassungsschutz der Datenbank “Protokollierungen von Akten des Bundesministeriums für Inneres”. Diese nutzt der Verfassungsschutz – soweit es bekannt ist – um Daten, die eigentlich strafrechtlich oder sonst sicherheitspolizeilich in keinster Weise bedeutsam sind, trotzdem zu speichern. So wurden beispielsweise die Daten eines Studenten für zehn Jahre im EDIS gespeichert, weil die britische Polizei ihn dem Verfassungsschutz wegen “verdächtigem Fotografieren” (sic!) gemeldet hat. Der Verfassungsschutz speichert auf diese Weise übrigens auch von dir gemachte Auskunftsbegehren nach dem Datenschutzgesetz für zehn Jahre. Die EDIS-Daten werden vom Verfassungsschutz auch bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen heran gezogen. Sicherheitsüberprüfungen sind Überprüfungen von Personen auf ihre Vertraulichkeit hinsichtlich des Zugangs zu geheimen/vertraulichen Daten oder Eignung für den Staatsdienst.
Dieser Absatz ist aus dem Artikel: http://at.rechtsinfokollektiv.org/polizei-datenbanken-in-osterreich/ 

Pro & Contra  Datenauskunftsbegehren

Oft wird die Frage gestellt, wie sinnvoll ein Datenauskunftsbegehren ist oder, ob es unter Umständen auch problematisch sein kann, eines zu machen. Hier ein paar Überlegungen dazu:
Durch ein Datenauskunftsbegehren kann mensch unter Umständen herausfinden, was Behörden speichern und in welchen Datenbanken diese Einträge sind. Dabei muss mensch allerdings bedenken, dass die Beantwortung  keine Gewissheit schafft, ob die Auskunft vollständig ist (also ob nur die Daten, die herausgegeben werden, gespeichert sind). Einerseits regelt § 26 Abs 2 DSG (Datenschutzgesetz), wann die Auskunft nicht erteilt werden muss (besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass keine Auskunft erteilt wird, wenn es zur Vorbeugung, Verfolgung oder Verhinderung von Straftaten notwendig sein soll), andererseits gibt es keine Möglichkeit selbst zu kontrollieren, ob noch mehr Daten gespeichert sind.
Jedenfalls bedeutet ein Datenauskunftsbegehren Arbeit für die Bürokratie-Mühlen und ist für eine*n selbst kein großer Aufwand. Sollte sich bei dem Auskunftsbegehren herausstellen, dass Daten rechtswidrig gespeichert sind, kann auch die Löschung beantragt werden. Ob dies dann tatsächlich geschieht, kann aber wiederum nicht überprüft werden.
Wenn mensch ein Datenauskunftsbegehren macht, wird das jedenfalls von den Behörden gespeichert (schon allein deswegen, weil es nur einmal im Jahr gratis ist). Dabei haben viele Personen Bedenken, dass sie sich durch ein Auskunftsbegehren erst „verdächtig“ machen oder es auf andere Art zu unangenehmen Situationen kommen kann. Zum Beispiel sind einmal zwei Polizist*innen zu einer Person nach Hause gefahren, um die Auskunft „vorbei zu bringen“, das dürfte aber nicht der Regelfall sein und ist auch nicht in Wien passiert. Die Frage wie „verdächtig“ mensch sich macht, können wir nicht beantworten. In der Vergangenheit wurde oft dazu aufgerufen, gemeinsam mit mehreren Menschen ein Auskunftsbegehren zu machen, um nicht einzeln hervorzustechen.
Eine andere Frage ist noch, wie leicht es möglich ist, ein Auskunftsbegehren zu machen ohne mehr Daten an bestimmte Datenbanken zu füttern. Der Antrag muss nämlich schriftlich mit einer Ausweis-Kopie geschickt werden. Ein Führerschein ist dabei wahrscheinlich unproblematisch, da z.B. die Polizei ohnehin Einsicht in das Führerscheinregister hat. Ob es für sie auch so einfach ist, z.B. die Passnummer oder die Matrikelnummer (Studierendenausweis) herauszufinden, ist nicht so klar.
Diese Überlegungen sollte mensch sich mal durch den Kopf gehen lassen, um zu entscheiden, ob sie/er ein Auskunftsbegehren machen möchte.

Auskunftsbegehren und Löschung

Ein Auskunftsbegehren ist der erste Schritt um zu erfahren, ob überhaupt Daten über dich gespeichert sind. Es gibt vorgefertigte Formulare im Internet, mit denen du das leicht beantragen kannst (Link siehe unten). Einmal im Kalenderjahr ist das Datenauskunftsbegehren gratis, sonst kostet es 18 Euro. Binnen 8 Wochen bekommst du dann die Beantwortung deines Begehrens per Post zugestellt. Im Anschluss daran kannst du bei den relevanten Behörden selbst Akteneinsicht machen, um genaueres über die gespeicherten Daten herauszufinden. Wenn du weißt, dass Daten über dich gespeichert sind, kannst du die Löschung dieser Daten gem §27 DSG beantragen, wenn diese unrichtig sind oder unzulässigerweise gespeichert sind. Der Verfassungsschutz speichert Daten auf Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes (§§ 51ff SPG).
Wenn die Behörde deinem Löschungsbegehren nicht binnen 8 Wochen nachkommt, gibt es noch die Möglichkeit eine Beschwerde an die Datenschutzkommission zu richten. Dazu gibt es wiederum ein Formular im Internet (Link siehe unten), auch hier können dir keine Kosten entstehen, auch wenn deiner Beschwerde nicht stattgegeben wird.

Hier ein Beispielformular für das Auskunftsbegehren

…und für die Beschwerde bei der Datenschutzbehörde
www.dsb.gv.at/DocView.axd?CobId=30483