Bericht vom Prozess gegen Jahn B. (Tag 1)

Am 8.4. fand im Wiener Landesgericht der Prozess gegen Jahn B. Wegen versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung statt. Am ersten Prozesstag kam es zu keiner Entscheidung, der Prozess wurde auf 11.5., 14.00 (Saal 106) vertagt, es wird ein weiterer Zeuge einvernommen und Videoaufnahmen gezeigt.

Jahn wurde am 4.6. 2014 nach den Protesten gegen das „Fest der Freiheit“ in der U-Bahn Station Schottentor Zeuge der Festnahme von Hüseyn S., der aufgrund der brutalen Vorgehensweise der Cops stark blutete. Ein heute einvernommener Beamter gab dazu an, es habe sich lediglich um eine „minimale Schürfwunde“ am Kopf gehandelt, Bilder der Festnahme legen anderes nahe.

Hier die Darstellung von Jahn zum nachlesen  und die Berichterstattung von prozess.report .

…wie wenn man mit einem Hund spielt, er zieht und zieht und zieht….“ (Inspektor U.)

Konkret wird Jahn vorgeworfen, dass er versucht hätte sich selbst die Stiege hinunterzuwerfen um seiner Festnahme zu entgehen und mit den Armen wild um sich geschlagen hätte. Beim Versuch ihn auf der Treppe festzunehmen hätte sich ein Beamter einen Riss der Bizeps-Sehne zugezogen („…ich hab ihn nicht ausgelassen, weil er sonst gestürzt wäre und sich verletzt hätte…“). Ebendieser Polizist tritt auch als Privatbeteiligter auf, das heißt er fordert zivilrechtlich Schadenersatz für Schmerzen und Behandlungskosten in Höhe von 8.000€ sowie weiteren Ersatz, falls Folgeschäden aufgrund der Verletzung auftreten sollten. Das Verfahren war zunächst schon eingestellt worden und erst auf einen Fortführungsantrag wieder aufgenommen worden.

Insgesamt wurden 5 Polizisten einvernommen, einer davon war am 4.6. in Zivil im Einsatz und hatte die Festnahme von Jahn initiiert. Bei seiner Zeugeneinvernahme war er höchst bemüht seinen Namen nicht laut auszusprechen und legte dem Richter seinen Ausweis vor, auch die anderen Beamten wirkten sehr zurückhaltend als sie ihre persönlichen Daten bekanntgeben sollten.

Die Aussagen der Beamten wirkten insgesamt widersprüchlich, insbesondere in Bezug auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Schläge. Während der verletzte Beamte erst auf Nachfragen des Richters angab, dass Jahn „aggressiv gestikuliert“ hätte, dabei aber nicht auf ihn gezielt hätte, sprachen andere von einem „Schwung holen“ um sich die Treppe hinunterzustürzen, gezielten Schlägen gegen Polizisten, andere wiederum von Schlägen gegen den zuvor festgenommenen Hüseyn. Manche sprachen sogar explizit davon, dass er sich „passiv gewehrt“ hätte, was jedenfalls eine Anklage wegen Widerstand obsolet machen würde, ein anderer behauptete hingegen, er habe sich losgerissen. Alle verneinten, dass Jahn möglicherweise das Gleichgewicht verloren haben könnte, vielmehr habe er sich bewusst fallen gelassen und sich nur aufgrund ihres Eingreifens nicht verletzt. Darauf dass Jahn angab, ihm seien von einem Polizisten bei der Festnahme die Hoden gequetscht worden, wurde in der Verhandlung hingegen nicht eingegangen. Die Verletzung einer Person bei ihrer Festnahme scheint für Staatsanwaltschaft und Richter nichts ungewöhnliches bzw. strafrechtlich relevantes darzustellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es geht um einen Vorfall, der wenige Sekunden gedauert hat. Jahns Forderung, eine verletzte Person ins Krankenhaus zu bringen führte zu seiner brutalen Festnahme und einem Verfahren, dass mit enormer psychischer und finanzieller Belastung einhergeht. „Aggressives Gefuchtel“ mit den Armen und ein schwarzer Kapuzenpulli scheinen all das plausibel zu machen.

Seid solidarisch mit Jahn und anderen Repressionsbetroffenen! Solidarische Prozessbeobachtung ist noch immer gewünscht, die Daten für das Solikonto findet ihr unten.

Proteste gegen WKR/Akademikerball: Erste Strafen sind da

Die Polizei ist heuer ziemlich schnell und hat schon die ersten Strafverfügungen ausgeschickt.

Deswegen: Macht eine Postabwesenheitsmeldung (zum Postamt gehen und genau das verlangen), bevor ihr auf Urlaub fahrt. Somit gelten die Strafverfügungen (ihr habt dann einen gelben Zettel im Postkasten, mit dem ihr sie euch beim Postamt abholen könnt) erst ab eurem Zurückkommen als zugestellt und ihr verpasst keine wichtigen Fristen.

Dann habt ihr zwei Wochen Zeit um diese zu beeinspruchen.

Das geht folgendermaßen:

Strafverfügung kopieren.

Kopie durchstreichen.

„Einspruch“ und „Ich verlange vollständige Akteneinsicht“ und das Datum draufschreiben.

Unterschreiben

An die Polizei (dorthin, wo es hergekommen ist – steht auf der Strafverfügung drauf) faxen (beim Postamt, kostet wenig und ihr bekommt eine Faxbestätigung) oder eingeschrieben schicken (ist teurer und ihr habt keine Bestätigung, auf der aufscheint, was ihr genau geschickt habt).

Dann kommt evtl. eine Ladung, zu der ihr hingehen könnt. Keine Aussage machen! Wenn nicht draufsteht, dass ihr zwangsweise vorgeführt werden könnt, passiert nichts, wenn ihr nicht hingeht.

Irgendwann kommt dann wieder Post von der Polizei. Das Straferkenntnis ist da.

Gegen dieses könnt ihr innerhalb von 4 Wochen (Achtung Frist-> Postabwesenheit!) Einspruch erheben.

Hierfür lasst ihr euch am besten beraten. Zum Beispiel bei uns jeden Donnerstag um 18.30 auf der Gewi.

Wenn alles schief geht, wird es durch dieses Prozedere maximal 30% teurer- also einen Versuch ist es allemal wert, oft wird die Strafe auch niedriger.

 

Fr. 13.2.: Soli für das Rechtsinfokollektiv mit bug // ten volt shock: EKH

Solicocktails & veganes Essen

After show trash Party mit FAVORITEN CALLING.

BUG
Since 1997 BUG has been living the DIY dream of the long gone 80 ies HC/Punk Underground. BUG is all about bluesy rhythm, distorted guitar melodies, slow, deep and hard bass lines, spastic drums and frantic howling. They can´tfollow no trend, so they are playing autistic Post Post Blues/Aggro/Vintage/Jazz/Punk/Doom/HC/Anti/Sludge/Noise Rock. The lyrics are about personal misery and the pitch black side of human nature, politics and the old stars of entertainment industry.

TEN VOLT SHOCK
spielen vertrackten, energiegeladenen Noise-Rock.

Presseerklärung des Busses aus München

„Polizeistaat Österreich:
Österreichische Polizei begeht Freiheitsberaubung von über 8 Stunden gegenüber Münchner Demonstrant_innen und entzieht ihnen ihre Grundrechte Strafanzeige gegen Polizeichef

Am Freitag, den 30.1.2015 fanden in Wien zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen gegen den „Akademikerball“ in der Hofburg statt, der von der rechten FPÖ organisiert und von der rechtsradikalen, europäischen Elite besucht wird.
Zu der Vielzahl von Gegenveranstaltungen wurden auch viele auswärtige Teilnehmer_innen erwartet, die u.a. mit Bussen aus verschiedenen Städten anreisten. Ebenso ein Bus aus München, dessen Mitreisende sich an den Protesten beteiligen wollten. Der Bus wurde jedoch kurz vor Wien von der österreichischen Polizei aufgehalten und durchsucht. Personalien wurden aufgenommen und ihr Gepäck inspiziert. Dies alles geschah ohne jede Rechtsgrundlage, ohne Erklärung und ohne dass den Betroffenen mitgeteilt wurde, was ihnen vorgeworfen wird, in einer von der Polizei ausgehenden gewaltbereiten und aggressiven Atmosphäre. Nach der Kontrolle, wurde der Bus mit einer Polizeieskorte aus mehreren Mannschaftswagen und Zivilfahrzeugen aus Wien heraus, gelotst und zurück geschickt. Alle Reisenden wurden daran gehindert, ihren geplanten Weg fortzusetzen, aber auch den Bus zu verlassen. Die Betroffenen hatten daher für insgesamt fast 15 Stunden weder Zugang zu Essen noch zu Getränken.

Da der Busfahrer durch die Festhaltung bereits seine zulässigen Lenkzeiten erreicht hatte, war eine Fahrtunterbrechung notwendig und der
Busfahrer wollte an der nächsten Ausfahrt die Autobahn verlassen. Durch zivile Einsatzfahrzeuge wurde der Bus jedoch über viele Kilometer hinweg abgedrängt und am Ausfahren gehindert. Hierzu fuhren die Polizist_innen auch längere Zeit auf dem Pannenstreifen, zwangen dem Bus auf der Autobahn zum Anhalten und brachten mit ihren Fahrmanövern die im Bus Fahrenden und auch die übrigen Verkehrsteilnehmer_innen in akute Gefahr. Als der Bus endlich wieder über die deutsche Grenze fuhr, waren die zulässigen Lenkzeiten des Fahrers schon um mehrere Stunden überschritten. Dort übernahmen deutsche Polizist_innen, die den Bus bis nach München eskortierten und dem Fahrer letztendlich eine Sondergenehmigung ausstellten.

Das „Kidnapping“ des Busses mit Reisenden und die vollkommen grundlose Verhinderung der Teilnahme an den Protesten gegen den „Akademikerball“ sowie die Verweigerung von Essen und Trinken von 8 Stunden stellt einen massiven Rechtsverstoß dar und hat zu erheblichen Grundrechtsverletzungen und auch Gefährdungen der Betroffenen geführt. Derartiges Verhalten hat in einem Rechtsstaat keine Berechtigung. Dieses Verhalten der österreichischen Einsatzkräfte steht jedoch in deren Tradition, antifaschistische Proteste zu kriminalisieren, niederzuschlagen und Grundrechte mit Füßen zu treten.

Gegen den rechtswidrigen Polizeieinsatz wird daher Anzeige, u.a. wegen Nötigung, Freiheitsberaubung, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Körperverletzung erstattet. Das Auswärtige Amt in Berlin wurde um Unterstützung gebeten.

Der WKR-Ball ist ein männerbündisches Zusammentreffen rechtsradikaler Burschenschaftler und gleichgesinnter Politiker_innen. Gegen diese Feierlichkeiten bleibt Protest notwendig und lässt sich nicht durch immer brutalere, illegale Einsätze der Polizei unterbinden.

V.i.S.d.P. RAin Angelika Lex, Goethe Str. 10, 80336 München, Tel. 0172-8914751″

Störung einer Versammlung (§285 StGB)- Aus gegebenem Anlass

In den letzten einenthalb Jahren kommt es wieder vermehrt zu Anzeigen wegen Störung einer Versammlung, §285 StGB und seltener auch zu Vorwürfen wegen Sprengung einer Versammlung, §284 StGB. Beispiele sind etwa die Proteste gegen den 1000 Kreuze Marsch in Salzburg im Juli 2013, den Aufmarsch der Identitären am 17.5.2014 (#blockit) oder gegen Christenfundis am Stephansplatz im Juni 2014 (#antianti). Dazu ist zu sagen, dass wir in all diesen Fällen nur von eingestellten Verfahren wissen und die Bestimmung wohl oft auch als Festnahmegrund und Einschüchterungstaktik angewendet wurde.

Bei der erfolgreichen Blockade des ersten „Spaziergangs“ der Pegida am 2.2.2015 wurden viele Antifaschist_innen erneut mit dem Vorwurf konfrontiert, während Pegida-Anhänger_innen ungestört den Hitlergruß machten und prügelnd durch die Innenstadt ziehen konnten. Dass wir diese Kriminalisierung verurteilen und allen von staatlicher und rechter Gewalt betroffenen Antifaschist_innen unsere Solidarität aussprechen wollen, sei diesem Artikel über die juristischen Grundlagen von §285 StGB vorangestellt.

Zunächst: Im Gegensatz zu anderen Strafen, die häufig auf Demos ausgestellt werden (z.B. Störung der öffentlichen Ordnung, StVO, etc. ) ist §285 StGB eine strafrechtliche Norm. Das heißt, dass theoretisch eine Haftstrafe bis zu 6 Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen droht und im Falle der Anklage eine Verhandlung vor dem Strafgericht stattfinden wird. Hier ist ein kurzer Überblickstext von uns zum Ablauf strafrechtlicher Verfahren.

Auffällig ist auch, dass § 285 grundsätzlich nur gegen linke Demos eingesetzt wird. Und nicht z.B. bei dem Überfall von Unsterblich auf das Vereinslokal der ATIGF, der eindeutig unter § 285 Abs Z 3 gefallen wäre (siehe gleich unten).

Der Tatbestand des §285 StGB

„Wer eine nicht verbotene Versammlung dadurch verhindert oder erheblich stört, daß er
1.    den Versammlungsraum unzugänglich macht,
2.    eine zur Teilnahme berechtigte Person am Zutritt hindert oder ihr den Zutritt erschwert oder ihr die Teilnahme an der Versammlung durch schwere Belästigungen unmöglich macht oder erschwert,
3.    in die Versammlung unbefugt eindringt oder
4.    eine zur Leitung oder Aufrechterhaltung der Ordnung berufene Person verdrängt oder sich einer ihrer auf den Verlauf der Versammlung bezüglichen Anordnungen tätlich widersetzt,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

Nach § 285 StGB macht sich strafbar, wer eine nicht verbotene Versammlung erheblich stört oder verhindert. Das Gesetz nennt vier Handlungen, von denen eine verwirklicht worden sein muss.
„Den Versammlungsraum unzugänglich machen“ (Z1) setzt voraus, dass es sich um eine Versammlung in einem geschlossenen Raum handelt, dabei muss z.B. die Tür versperrt werden, der Schlüssel weggennomen werden oder sonst das Eintreten verunmöglicht bzw. „unzumutbar gemacht werden.
Der zweite Fall bedeutet, dass das Teilnehmen mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt verhindert wird. Das kann durch physische Hindernisse wozu auch Reizgase gezählt werden geschehen. Teilweise wird auch diskutiert, dass Sprechchöre oder andere Arten von Lärmerregung dazugehören, auch das andauernde Beschimpfen von Teilnehmenden wird genannt.
„Tätlicher Widerstand“ bedeutet Handgreiflichkeiten gegen Ordner_innen oder Versammlungsleiter_innen, oder auch dass diese zum Verlassen der Versammlung gezwungen werden oder ihre Funktion nicht mehr ausüben können.

Zusätzlich  muss durch diese Handlungen die Versammlung verhindert oder erheblich gestört werden. Darunter versteht das Gesetz zum einen, dass die Versammlung nicht wie geplant stattfinden kann oder  dass „ihr ordnungsgemäßer Ablauf über das nach den Spielregeln der öffentlichen Diskussion in der demokratischen Gesellschaft allgemein tolerierte Maß hinaus beeinträchtigt wird“. Beispiele dafür sind dass Redner_innen wegen der Störung gar nicht mehr zu Wort kommen, wobei das Gesetz davon ausgeht, dass gewisse Störungen von Versammlungen üblich sind, es muss sich um eine „erhebliche Störung“ handeln.

§284 StGB- Sprengung einer Versammlung
§284 StGB bestraft die Verhinderung oder Sprengung einer nicht verbotenen Versammlung mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt. „Gewalt“ ist gesetzlich definiert als „Einsatz nicht unerheblicher physischer Kraft“, die sich gegen Personen oder Gegenstände richten kann. Die Strafdrohung für §284 StGB ist höher (bis zu einem Jahr), insgesamt scheint es  in letzter Zeit aber eher, als würde damit aber mehr gedroht als angezeigt oder gar verurteilt.

NoPegida am 2.2.2015

Grundsätzlich sollen §285 und §284 StGB die Versammlungsfreiheit schützen, was insbesondere dann interessant ist, wenn die Störung von einer Gegendemonstration wie NoPegida ausgeht, die ja nach dieser liberal-rechtsstaatlichen Logik ebenso zu schützen gewesen wäre.

Noch ein paar Gedanken zu einer konkreten Einschätzung der NoPegida-Demo:

– Nach dem § 285 gestört werden kann nur eine „nicht verbotene“ Versammlung. Fraglich ist, ob eine Demonstration schon dann verboten ist, wenn es dort zu strafgesetzwidrigen Hitler-Grüßen kommt, wie am 2.2. bei Pegida in Wien. Manche Jurist_innen würden sagen, die Demonstration müsste dann untersagt werden und wäre erst nach der Untersagung verboten.

– Eine erhebliche Störung im Sinne des § 285 könnte theoretisch vorliegen, da die Demonstration nicht wie geplant laufen konnte (sondern gar nicht – danke!!).

– Eine sichere Einschätzung ob es zu Verfahren kommen wird, können wir nicht abgeben, da die Bestimmung extrem weit ist und theoretisch auch bloßes Stehen/Sitzenbleiben die Bestimmung erfüllt. Andererseits sind Verurteilungen relativ selten: laut einer parlamentarischen Anfrage: 3 Verurteilungen gegenüber 126 Anzeigen im Zeitraum 2010-2014*. Jedenfalls macht es Sinn gemeinsam gegen Repression vorzugehen und sich über das Vorgehen der Behörden auszutauschen, Betroffene können sich bei uns melden.

Das bürgerliche Strafrecht ist nicht auf unserer Seite und nicht unser Freund! Smash § 285 StGB!

*http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_02131/index.shtml (Anlage 3)

Rechtsinfos für Österreich, Demonstrationen, Versammlungen, Strafrecht und Verwaltungsrecht