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Der österreichische Verfassungsschutz und seine Befugnisse

In Deutschland wird der Verfassungsschutz wegen seiner Verbindungen zur rechtsextremen Szene thematisiert und stark kritisiert. In Österreich hingegen werden die Befugnisse der Sicherheitspolizei scheinbar kritiklos erweitert.

Im Jahr 2000 wurde die „erweiterte Gefahrenerforschung“ eingeführt. Bis dahin konnten Ermittlungen erst bei Verdacht auf eine schon begangene Straftat aufgenommen werden. Seit 2000 reicht dafür der Verdacht auf eine bevorstehende Gefahr aus. Wer oder was eine solche Gefahr darstellt oder möglicherweise in der Zukunft darstellen könnte, liegt im Ermessen der Polizeibehörden. Kein Wunder also, dass bei der Beurteilung Vorurteile und Gesinnungsfragen eine große Rolle spielen.

Ein Zitat von Peter Gridling, damals Chef der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) und heute Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), legt allerdings nahe, dass schon vor der Reform ähnlich ermittelt wurde, wenn auch ohne gesetzliche Absicherung: „Die Verankerung der Aufgabe der erweiterten Gefahrenerforschung war ein wichtiger Schritt, eine Rechtsgrundlage für Vorfeldarbeit, die der Staatspolizei in der Vergangenheit immer als rechtswidrig angelastet wurde.“?1

Schon in der großen Koalition vor 1999 gab es Pläne von SPÖ und ÖVP, das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) zu reformieren. Die ÖVP machte ihre Einwilligung von einer Zustimmung der SPÖ zur Reform des Militärbefugnisgesetzes abhängig. Bis zu den Wahlen konnte keine Einigung erzielt werden. Unter FPÖVP wurden dann beide Reformen im Eilverfahren, also ohne Begutachtungsverfahren im Minister-Innenrat, beschlossen. Die SPÖ stimmte nun auch dagegen.

Seit ihrer Einführung im Jahr 2000 wurde die „erweiterte Gefahrenerforschung“ ständig ausgeweitet, zuletzt in der SPG-Novelle 2011. Heute darf die Polizei nicht nur in Zivil an öffentlichen Orten observieren, sondern auch verdeckt: also unter falscher Identität ermitteln, Film-, Foto- und Tonaufnahmen machen, bei anderen Behörden Daten abfragen und auf Handy- und Internetdaten zugreifen.

Im Zuge der großen Polizeireform 2002, seit der das BVT in seiner heutigen Form existiert, wurde außerdem die Polizeispitze ‚umgefärbt‘. Verschiedene hohe SPÖ-nahe Polizeikader wurden unter Innenminister Ernst Strasser abgesetzt und durch ÖVP-nahe ersetzt. Es kam zu einem großen öffentlichen Aufschrei und einem Misstrauensantrag der Opposition gegen Strasser. So hieß es auch, dass das BVT vor allem schwarz besetzt werde, während das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) an die Blauen abgetreten worden sei. Heute erzielt die FPÖ bei den Gewerkschaftswahlen des LVT in Wien 40%.

Das deutsche Trennungsgebot

In Deutschland hat das sogenannte Trennungsgebot Verfassungsrang. Demnach dürfen polizeiliche und nachrichtendienstliche Befugnisse nicht vermischt werden. Berechtigungen der „erweiterten Gefahrenerforschung“, also alle Ermittlungen, die ohne tatsächlichen strafrechtlichen Anlass passieren, gehören zum Nachrichtendienst. Polizeiliche Befugnisse wären z.B. die Anwendung von Zwangsgewalt, wie die Festnahme eines Verdächtigen etc. In Deutschland müssen diese Dinge getrennt bleiben; wenn also eine Einheit zur Gefahrenerforschung eingesetzt wird, kann sie nicht zugleich polizeilich wirken und umgekehrt. Tatsächlich bedeutet das, dass der deutsche Verfassungsschutz (der wohlgemerkt noch mehr Befugnisse hat als der österreichische) bei einem konkreten Verdacht seine Erkenntnisse den Polizeibehörden mitteilen muss und erst diese weiter einschreiten können. Dahinter steht der Gedanke, die Gesellschaft vor einer übermächtigen, getarnt agierenden und mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Behörde zu schützen. In Österreich gibt es das Trennungsgebot nicht: Das BVT darf also zusätzlich zu den ‚erweiterten Ermittlungsmethoden‘ auch normale Polizeimethoden anwenden.

Die Befugnisse des Verfassungsschutzes werden ständig ausgeweitet, seine Kontrolle und die rechtlichen Möglichkeiten, sich zu wehren, sind bei weitem nicht hinreichend. Bei all dem Gerede der Regierung über ‚Sicherheit‘ ist Sicherheit vor dem Staat kein Thema.

Anmerkungen:
1 Interview mit Peter Gridling, in: Öffentliche Sicherheit. Das Magazin des Innenministeriums, Nr. 05-06/2002

Repression bei IE unibrennt Protesten

Die Rechtshilfe Wien berichtet auf ihrem Blog über Repression und Überwachung bei den Student_innprotesten von unibrennt und der Internationalen Entwicklung. Es ist in den letzten Wochen zu zahlreichen gewaltsamen Polizeieinsätzen an der Universität Wien gekommen. Es scheint, als solle der Protest der Student_innen auf Geheiß des zuständigen Rektors Engl mittels massivem Polizeiaufgebot inklusive WEGA im Keim erstickt werden. Die Rechtshilfe Wien kritisiert insbesondere auch den Ablauf der Räumung des besetzten Audimax und die massive Überwachung durch den Verfassungsschutz.

rhwien.noblogs.org: Repression bei IE unibrennt Protesten

Veranstaltung zu Geschichte und Praxis des Verfassungsschutz

Am Freitag den 20.4.2012 lädt das RIKO zu Input und Diskussion zum Thema:
Verfassungsschutz – Geschichte und Praxis

Politischer Aktivismus war schon immer von Überwachung und Repression betroffen. Seit 2002 gibt es das BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung). Welche Rolle spielt diese Behörde in aktuellen Fällen wie dem TierschützerInnenprozess, unibrennt, J.A.I.B. und Anonymous?

Das Rechtsinfokollektiv informiert über Geschichte und Praxis des BVT mit anschließender Diskussion:

Freitag 20.4, 19:00
im Cafe Gagarin, Garnisongasse 24, 1090 Wien

Radio Orange: Studiogespräch mit den Angeklagten J.A.I.B.

Am 13. März 2012 beginnt der Strafprozess im Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vorwurfs versuchter Brandstiftung einer AMS Filiale. Radio Orange hat ein Studiogespräch mit den vier Angeklagten J.A.I.B. geführt. Gegen die Betroffenen wurde auch wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt und massive Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen wie monatelange Observationen und Telefonüberwachungen, Hausdurchsuchungen und mehr als ein Monat Untersuchungshaft gesetzt! Der Prozess ist klar politisch und richtet sich nicht nur gegen die vier Student_innen, sondern auch gegen die bildungspolitische Protestbewegung #unibrennt.

Radio Orange: Am 13. März 2012 beginnt Prozess wegen des Vorwurfs versuchter Brandstiftung bei AMS. Studiogespräch mit Angeklagten J.A.I.B.